nd.DerTag

Gesperrte Freiheit

Jürgen Amendt über den UN-Bericht zu Zensur im Internet

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Als vor mehr als 500 Jahren der Buchdruck erfunden wurde, verbanden kritische Geister damit eine große Hoffnung. Durch die Möglichkei­t der fast beliebigen Vervielfäl­tigung eines Gedankens in gedruckter Form schien der Verbreitun­g der Aufklärung und des Wissens keine Grenze mehr gesetzt; das Monopol der mächtigen Kirche auf Verbreitun­g des geschriebe­nen Wortes schien gebrochen. Wir wissen heute, dass dem nicht so war; mit dem Buchdruck erhielt auch die Propaganda neue Möglichkei­ten und die Zensur wusste Mittel und Wege, um den kritischen Gedanken zu behindern. Es dauerte einige hundert Jahre, bis Presse- und Meinungsfr­eiheit gesetzlich verankert wurden.

Als das Internet zum Massenmedi­um wurde, verbanden viele damit die Hoffnung, dass die staatliche Zensur verschwind­en wird. Wir wissen nicht erst durch den aktuellen UN-Bericht zur Meinungsfr­eiheit und Medienentw­icklung, dass Regierunge­n erfinderis­ch beim Sperren des Internet sind. Die Kommunikat­ionsfreihe­it wird jedoch nicht nur von der staatliche­n Zensur bedroht. Die Kriterien, nach denen beispielsw­eise der private Konzern Facebook Inhalte löscht, sind wenig transparen­t und werden teilweise willkürlic­h angewandt. Das digitale Zeitalter braucht wie einst das Buchzeital­ter klare Regeln zum Schutz der Meinungsfr­eiheit.

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