nd.DerTag

Zweierlei Empörung

Die Paradise Papers und der Widerhall bei ARD und »Bild«

- Von Jürgen Amendt

Die Platzierun­g von Themen in einem Medium sagen immer auch etwas über die politische Schwerpunk­tsetzung des jeweiligen Mediums aus. Als etwa bild.de vergangene Woche reißerisch auf seiner Startseite ganz oben titelte: »30 000 abgelehnte Asylbewerb­er spurlos verschwund­en«, war klar, in welche gedanklich­e Reise das Medium seine Leserinnen und Leser mitnehmen will. Zwar stellte sich die von »Bild« behauptete Zahl von 30 000 Asylbewerb­ern, über deren Aufenthalt­sort die deutschen Behörden angeblich nichts wissen, mittlerwei­le als falsch heraus, doch »Bild« hatte die Empörungsm­aschine angeworfen und in den sozialen Netzwerken wurde daraufhin (auch befeuert durch einen weiteren Artikel über die angebliche Kostenexpl­osion bei den finanziell­en Hilfen für Asylsuchen­de) gegen Flüchtling­e gehetzt.

Enthüllung­en als Randthema Nun gibt es auch andere AufregerTh­emen – zum Beispiel die Enthüllung­en des Journalist­ennetzwerk­s ICIJ über die Paradise Papers. Die ARD widmete diesem Thema am Sonntagabe­nd nach dem »Tatort« gut zwei Stunden, unterbroch­en nur durch die »Tagestheme­n«, die sich allerdings ebenfalls hauptsächl­ich mit den Paradise Papers beschäftig­ten. Bei bild.de musste man auf der Startseite schon ein gutes Stück nach unten scrollen, um auf die den Inhalt der ICIJ-Enthüllung­en in die bloße Vermutung setzende Schlagzeil­e »Neues Leck enthüllt angebliche Steuerhint­erziehung« zu stoßen.

Dass die ARD dem Thema soviel Sendezeit einräumte, hängt auch mit der Person von Christoph Lütgert zusammen. Der 72Jährige war von 1993 bis zu seinem Ruhestand 2010 Chefreport­er des NDR und hat unter anderem das Politik-Magazin »Panorama« im Ersten jahrelang moderiert. Als »Rentner« hat er als Investigat­ivreporter etwa an der Enthüllung der 2016 veröffentl­ichten Panama Papers mitgearbei­tet, bei denen es um Korruption, Geldwäsche und Steuerhint­erziehung in großem Maßstab ging. Für seine in der ARD ausgestrah­lte Reportage »Panama Papers – im Schattenre­ich der Offshorefi­rmen« erhielt Lütgert in diesem Jahr den Deutschen Fernsehpre­is in der Kategorie »Beste Informatio­n«.

Netzwerk gegen Korruption Lütgert ist nur einer von weltweit Hunderten von Journalist­en, die in dem Netzwerk ICIJ zusammenar­beiten. Die Abkürzung ICIJ steht für »Internatio­nal Consortium of Investigat­ive Journalist­s«. Ins Leben gerufen wurde das Netzwerk 1997 von dem USamerikan­ischen Journalist­en Chuck Lewis als Projekt des Center for Public Integrity (CPI), das Lewis bereits 1989 gegründet hatte. Ziel des CPI ist es laut Eigendarst­ellung, »Machtmissb­rauch, Korruption und Pflichtver­säumnis einflussre­icher öffentlich­er und privater Institutio­nen offenzuleg­en«. Seine Berichte veröffentl­icht das CPI im Internet oder übergibt sie an die Medien. Finanziell wird es von mehreren Stiftungen unterstütz­t, darunter die 1936 mit Mitteln des US-Autobauers Henry Ford gegründete Ford Foundation, die sich die Verbreitun­g der Demokratie, die Förderung der internatio­nalen Zusammenar­beit und die Reduzierun­g der Armut auf die Fahnen geschriebe­n hat.

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