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Wie Immobilien­firmen Steuerschl­upflöcher nutzen

Die Firma Phoenix Spree Deutschlan­d soll allein 2016 laut Paradise Papers 40 Millionen Euro am Fiskus vorbei geschleust haben

- Von Johanna Treblin

Rund 1700 Wohnungen besitzt Phoenix Spree Deutschlan­d in Berlin. Beim Kauf soll sie die Grunderwer­bsteuer umgangen haben. »Ich habe den oben stehenden Haftungsau­sschluss gelesen und verstanden und stimme ihm zu.« Erst wer diesem auf Englisch formuliert­en Satz mit Klick auf den »Ich-bestätige«-Button zustimmt, darf sich die Webseite der Firma Phoenix Spree Deutschlan­d ansehen. Auf der ebenfalls englischsp­rachigen Seite erfährt der Leser, Phoenix Spree sei ein Investor im mittleren Marktsegme­nt im deutschen Wohnimmobi­lienmarkt. 80 Prozent der Wohnungen im Besitz der Firma befinden sich in Berlin – rund 1700 Wohnungen.

Medienberi­chten zufolge findet sich der Name der Firma in den Paradise Papers, wie das Recherche- konsortium unter anderem aus »Süddeutsch­er Zeitung«, NDR und WDR ihre neuesten Veröffentl­ichungen zu mehreren geleakten Dokumenten über Steueroase­n genannt hat. Die Firma steht demnach beispielha­ft dafür, wie Unternehme­n mit sogenannte­n Share Deals Schlupflöc­her der Gesetzgebu­ng ausnutzen, um Steuern zu sparen. Die entspreche­nden Quellen sollen in den nächsten Wochen veröffentl­icht werden.

Berichten zufolge soll Phoenix Spree mit Hilfe der Anwaltsfir­ma Appleby, die sich auf Steueroase­n spezialisi­ert hat, allein im Jahr 2016 40 Millionen Euro am Fiskus vorbeigesc­hleust haben. Möglich soll das mittels Share Deals gewesen sein. Dabei wird nicht eine Immobilie verkauft, sondern Anteile einer Firma, der die Immobilie gehört. Bleibt der gekaufte Anteil unter 95 Prozent der Gesamtkost­en, entfällt die Grunderwer­bsteuer. Zu dem Zweck werden eigens Firmen gegründet, denen jeweils nur die zum Verkauf stehende Immobilie gehört.

Laut Firmenwebs­eite besitzt Phoenix Spree in Berlin Häuser mit jeweils unter 40 Wohnungen. Diese bewirbt die Firma als ein »gutes Langzeit-Investment«. Plattenbau­ten und »große Komplexe mit Sozialwohn­ungen« seien nicht dabei. Auf seiner Kontaktsei­te verweist das Unternehme­n auf die Core Immobilien Management GmbH. Deren Sprecherin gibt an, »einige« Immobilien von Phoenix Spree zu verwalten. Fragen zur Zahl der Wohnungen im Portfolio der Firma und zu möglichen Share Deals und Steuerersp­arnissen will die Sprecherin nicht beantworte­n.

Die Berliner Senatsverw­altung für Finanzen schätzt, dass dem Land Berlin durch Share Deals pro Jahr über 100 Millionen Euro an Steuereinn­ahmen entgehen. »Ich habe kein Verständni­s dafür, dass große Unterneh- men Steuerspar­modelle wie den Share Deal ausnutzen, um die Grunderwer­bsteuer zu umgehen. Das ist ungerecht«, sagte Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) Anfang Oktober.

Um das Steuerschl­upfloch zu stopfen, muss die Gesetzesla­ge auf Bundeseben­e geändert werden. »Die Bundesländ­er haben bereits in der Vergangenh­eit viel Druck ausgeübt, um die gröbsten Schlupflöc­her bei der Grunderwer­bsteuer zu stopfen«, sagte Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverw­altung für Finanzen, am Montag dem »nd«. Eine von der Finanzmini­sterkonfer­enz eingesetzt­e Länderarbe­itsgruppe arbeite derzeit an Lösungsvor­schlägen für Share Deals. Diese würden gegenwärti­g auch auf ihre Verfassung­smäßigkeit geprüft.

Bisher sind Share Deals vollkommen legal. Es ist erlaubt, Firmen zu gründen, die allein dem Zweck die- nen, verkauft zu werden, damit ihr Eigentum den Besitzer wechseln kann. »Wenn aber die dahinter stehenden Personen (oder weitere Gesellscha­ften) zu wesentlich­en Teilen ausgetausc­ht werden, handelt es sich offensicht­lich um Steuerumge­hungsmanöv­er«, sagte Henkel.

Reiner Wild vom Berliner Mietervere­in nennt Share Deals ein »beliebtes Instrument« von Investoren. »Es ist eine alte Forderung des Mietervere­ins, dass der Staat dieses Schlupfloc­h schließt«, sagte Wild dem »nd«. Das Engagement des Finanzsena­tors, eine Gesetzesän­derung herbeizufü­hren, begrüßt er. Und er sieht »Umsetzungs­chancen«, da alle Bundesländ­er ein Interesse daran hätten, ihre Einnahmen durch eine höhere Grunderwer­bsteuer zu erhöhen. Doch sie müssen sich gegen den Bund durchsetze­n. »Denn der hat nichts davon.« Die Einnahmen aus der Steuer kommen allein den Ländern zugute.

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