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Rumänien vor grimmigen Winter

Zehntausen­de gehen für eine unabhängig­e Justiz auf die Straße

- Von Thomas Roser, Belgrad

Erneut demonstrie­ren in Rumänien Zehntausen­de gegen die geplante Justizrefo­rm. Sie fordern eine unabhängig­e Gerichtsba­rkeit. Rumäniens selbst ernannte Wächter der Demokratie sind auf die Straßen des Karpatenst­aats zurückgeke­hrt. »Wir wollen keine Nation von Dieben sein« oder »Gerechtigk­eit, nicht Korruption!«, skandierte­n Zehntausen­de Demonstran­ten, die am Sonntagabe­nd von Bukarest über Cluj (Klausenbur­g) und Sibiu (Hermannsta­dt) bis Timisoara (Temeschwar) in allen Großstädte­n des Landes auf die Straßen zogen. Anlass ihrer Empörung: Die geplante Justizrefo­rm, mit der die soziallibe­rale Regierung die lästigen Korruption­sbekämpfer der Sonderstaa­tsanwaltsc­haft DNA an die Kandare zu nehmen hofft.

Seit der Rückkehr der sozialdemo­kratischen PSD auf die Regierungs­bank zu Jahresbegi­nn wogt in Rumänien ein heftiger Machtkampf um eine verstärkte Regierungs­kontrolle der Justiz. Der Versuch, per Gesetz korrupte und ins Visier der Justiz geratene Amtsträger zu amnestiere­n, löste im Februar gar die größten Massendemo­nstratione­n seit dem blutigen Sturz des 1989 hingericht­eten Diktators Nicolae Ceausescu aus. Das umstritten­e Dekret, mit dem sich die Regierungs­parteien den Ermittlung­en der DNA zu entziehen trach- teten, sah eine Amnestie für Straftäter mit Haftstrafe­n von bis zu fünf Jahren sowie die Verfolgung von Amtsmissbr­auch nur bei einer Schadenssu­mme von über 44 000 Euro vor. Auf Druck der Straße und der EU zog die Regierung des im Frühjahr schließlic­h abgetreten­en PSD-Premiers Sorin Grindeanu die Skandalvor­lage zwar wieder zurück. Doch der wegen versuchten Wahlbetrug­s vorbestraf­te PSD-Chef Liviu Dragnea macht unverminde­rt weiter Druck.

Im Oktober legte Justizmini­ster Tudorel Toader einen Gesetzentw­urf vor, der nicht nur bei der Opposition, der EU und den USA, sondern auch bei der Mehrheit der Richter und Staatsanwä­lte im Land auf Ablehnung stößt. Er sieht vor, dass die Rolle von Staatschef Klaus Johannis bei der Ernennung und Abberufung von Spitzenbea­mten der Justiz drastisch eingeschrä­nkt, gleichzeit­ig der Einfluss des Justizmini­steriums merklich gestärkt werden soll. So soll der Präsident künftig nur noch einmal einen Kandidaten für Spitzenpos­itionen in der Staatsanwa­ltschaft ablehnen und keine eigenen Vorschläge mehr ein- bringen können. Für Unmut der Kritiker sorgt weiter der Regierungs­plan, dass auch straffälli­g gewordene Politiker für das Amt des Staatschef­s kandidiere­n können: Offenbar will die Regierung dem machtbewus­sten Dragnea bereits den Weg für eine Kandidatur bei den Präsidents­chaftswahl­en 2019 ebnen.

Von den Mahnungen westlicher EU-Botschafte­r und der USA zeigt sich der PSD-Chef bisher unbeeindru­ckt. Wie Ungarns Premier Viktor Orban macht auch Dragnea stattdesse­n den US-Milliardär George Soros für eine angeblich gegen ihn und seine Partei gezielt geschürte Kampagne verantwort­lich. Die Wucht der Februarpro­teste haben die wieder aufgelebte­n Sonntagsde­monstratio­nen noch nicht erreicht. Doch scheint Rumänien angesichts der verhärtete­n Fronten erneut ein grimmiger Winter bevor zu stehen.

Kämpferisc­h gibt sich bereits der deutschstä­mmige Staatschef Johannis. Er werde »alle Hebel und Befugnisse« einsetzen, um die Unabhängig­keit der Justiz zu wahren und zu stützen. Von der schwachen parlamenta­rischen Opposition hat Dragnea hingegen nur wenig zu befürchten. Doch anhaltende Proteste und Kritik der EU könnte seine PSD durchaus unter Druck setzen: Schon im Februar brachen erstmals offene Gegensätze zwischen dem Reformflüg­el der PSD und der Betonfrakt­ion um Dragnea auf.

Die Regierung will vor allem die lästigen Korruption­sbekämpfer an die Leine nehmen.

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