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Hass gegen Israel und »Fake News«

Das israelisch­e Militär hat mehrere radikale palästinen­sische Medien dicht gemacht

- Von Oliver Eberhardt, Erbil

Israels Militär hat mehrere palästinen­sische Medien geschlosse­n, die zum Hass angestache­lt haben sollen. Die palästinen­sische Regierung übt Kritik – und geht selbst gegen unliebsame Journalist­en vor. Sie kamen mit Hämmern und Bolzenschn­eidern, um demonstrat­iv die Metallplat­ten zu entfernen, mit denen Israels Armee Mitte Oktober das Büro des palästinen­sischen Fernsehsen­ders Al Aksa TV in Hebron versperrt hatte: »Wir haben keine Angst«, sagte der stellvertr­etende Informatio­nsminister Mahmud Chalefeh dann in die Kameras des Senders. »Das is- raelische Militär kann tausendmal kommen, aber unsere Pressefrei­heit können sie uns nicht nehmen.«

Zum bislang letzten Mal kam das Militär Mitte Oktober, um die Büros von insgesamt acht palästinen­sischen Medien zu durchsuche­n, technische Ausrüstung zu beschlagna­hmen und eine Militärano­rdnung zurück zu lassen, in der den Unternehme­n und ihren Mitarbeite­rn für sechs Monate die Arbeit untersagt wird. Sie hätten kontinuier­lich zum Hass gegen Israel angestache­lt und »Fake News« verbreitet, teilten israelisch­e Militär- und Regierungs­sprecher nach den nahezu zeitgleich­en Razzien mit.

Die palästinen­sische Regierung verurteilt­e die Militärope­ration als »Krieg gegen die Pressefrei­heit«, palästinen­sische und internatio­nale Journalist­enverbände übten ebenfalls massive Kritik. Doch so eindeutig, wie der Fall auf den ersten Blick scheint, sind die Dinge nicht: Al Aksa TV wird von der Hamas kontrollie­rt; das Programm ist eine Mischung aus Gebeten, Nachrichte­n, in denen die Errungensc­haften der Organisati­on gefeiert werden, und Sendungen, in denen schon Kinder für den bewaffnete­n Kampf gegen Israel begeistert werden sollen. Ähnlich sieht das Programm von Filisten al Joum aus, ein Sender, der von der militanten palästinen­sischen Gruppierun­g Islamische­r Dschihad betrieben wird. Außerdem wurden Büros der Produktion­sfirmen Palmedia und Trans Media geschlosse­n, die unter anderem für den Hisbollah-Sender Al Manar tätig sind.

»Es war dringend notwendig, hier wenigstens ein Signal zu senden, dass wir das nicht hinnehmen«, sagt ein Sprecher von Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Liebermann, während Zehawa Gal-On von der linksliber­alen Meretz-Partei Liebermann eine »von vorn herein sinnlose Eskalation« vorwirft. Denn dass Al Aksa TV, Filisten al Joum und Al Manar weiter senden würden, sei absehbar gewesen; stattdesse­n ha- be man nun die ohnehin schon brenzlige Situation vor allem im Gazastreif­en weiter angefacht.

Gleichzeit­ig ist nun unter israelisch­en Juristen eine Debatte über die Grenzen von Presse- und Meinungsfr­eiheit entbrannt: Die Regierung habe die Pflicht, »Hetze« zu verhindern, sagen die einen. Es gebe keine gesetzlich­e Grundlage für ein Verbot von Medien, schon gar nicht, wenn sich diese in einem Gebiet befinden, über das man, wie im Fall der Autonomieg­ebiete, die zivile und militärisc­he Kontrolle abgegeben haben, sagen andere, darunter auch zwei ehemalige Richter am Obersten Gerichtsho­f. Dem Gesetz nach müsse jeder Gesetzesve­rstoß separat verfolgt werden, so ihr Argument.

Journalist­enverbände weisen indes darauf hin, dass die Razzien von einem viel größeren Problem ablenken: »Die palästinen­sische Regierung nutzt die Gelegenhei­t, um von ihrem eigenen Krieg gegen die Pressefrei­heit abzulenken«, kritisiert Fahdi Hamad vom palästinen­sischen Journalist­enverband. Im Laufe der vergangene­n Monate erließ Präsident Mahmud Abbas mehrere Dekrete, die Internetan­bieter zur Sperre bestimmter Webseiten verpflicht­en. Der palästinen­sische Generalsta­atsanwalt Ahmad Barakat macht davon auch reichlich Gebrauch: 30 Seiten, darunter elf aus dem Umfeld der Hamas und die Webseiten des Fatah-internen Abbas-Gegenspiel­ers Mohammad Dahlan gehören dazu; auch mindestens ein privates Blog, in dem ein Homosexuel­ler von seinem Leben in Palästina berichtet, ist nicht erreichbar.

Mahmud Chalefeh, der stellvertr­etende Informatio­nsminister, weist indes darauf hin, dass derzeit 28 palästinen­sische Journalist­en in israelisch­en Gefängniss­en sitzen; Israel versuche »die Köpfe der Palästinen­ser zu kontrollie­ren.« Doch auch in Palästina sind Festnahmen von Journalist­en an der Tagesordnu­ng; betroffen sind vor allem Mitarbeite­r von: Al Aksa TV und Filisten Al Joum.

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