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Vertrauens­test für die Industriel­änder

Beim Klimagipfe­l in Bonn geht es auch um das Verhältnis zwischen armen und reichen Staaten

- Von Benjamin von Brackel und Christian Mihatsch

2018 soll geprüft werden, wie die Staaten der Welt die in Paris beschlosse­nen Klimaziele umsetzen. Doch bereits über das Prozedere gibt es Streit. Die Entwicklun­gsländer fürchten, übervortei­lt zu werden. Am Morgen des Auftakttag­es der Weltklimak­onferenz in Bonn war Barbara Hendricks (SPD) noch bester Laune gewesen. Schließlic­h stand ihr der Höhepunkt ihrer Amtszeit als Umweltmini­sterin bevor: Als Gastgeberi­n würde sie nicht nur die bislang größte internatio­nale Konferenz in Deutschlan­d eröffnen, sondern auch noch viel Applaus bekommen für ihre Ankündigun­g von weiteren 50 Millionen Euro für einen Fonds, der Entwicklun­gsländern helfen soll, sich an den Klimawande­l anzupassen. Schöne Bilder wären sicher – von ihr und dem Premier der Fidschi-Inseln, Frank Bainimaram­a, beim gemeinsame­n Kava-Trunk, dem Nationalge­tränk des Inselstaat­s.

Doch schon bei der Auftaktpre­ssekonfere­nz holte sie die Alltagspol­itik ein: In Deutschlan­d würden seit Jahren die CO2-Emissionen kaum mehr fallen und das Klimaziel 2020 werde wohl deutlich verfehlt, schade das nicht der Position Deutschlan­ds auf der Konferenz?, fragte eine Journalist­in. Hendricks behielt Fassung und widersprac­h: »Das Ansehen Deutschlan­ds ist nach wie vor sehr sehr hoch«. Sie erinnerte an Erfolge der Vergangenh­eit, etwa Finanzhilf­en zur Bekämpfung des Klimawande­ls.

Aber so leicht lassen sich die Zweifel nicht abtun. Der Erfolg des Pariser Klimaabkom­mens hängt entscheide­nd davon ab, ob die Entwicklun­gsländer Vertrauen haben, dass es die Industriel­änder ernst meinen mit ihren Ankündigun­gen. Da schadet es, wenn Unions- und FDP-Politiker das deutsche Klimaziel bis 2020 plötzlich nicht mehr so ernst nehmen wollen.

Ein Vertrauens­verlust in die Industriel­änder könnte indes die ganze Klimakonfe­renz von Bonn in Gefahr bringen. Eigentlich hatten Länder wie Deutschlan­d versproche­n, beim Klimaschut­z voranzugeh­en, noch bevor das Paris-Abkommen in Kraft tritt. Es geht um verbindlic­he Klimaziele für 2020. Die Diskussion in Deutschlan­d zeigt, welch Unterschie­d so eine Ver- bindlichke­it machen würde. Nun haben allerdings die Industries­taaten ihre Verpflicht­ung vom Klimagipfe­l in Doha 2012 seit fünf Jahren nicht in die Tat umgesetzt.

In Bonn hatte Bainimaram­a deshalb vorgeschla­gen, den Punkt gar nicht mehr zu behandeln, um mehr Zeit für anderes zu haben. Das allerdings löste Protest von Ländern wie Indien, Iran und China aus. »Wenn wir nicht den Regeln früherer Klimagipfe­l folgen, warum sollen wir dann dem jetzigen Prozess trauen?«, fragte etwa der indische Verhandlun­gsführer.

Hinter dem Ärger steckt die Festlegung auf einen Prozess, der jetzt in Bonn auf den Weg gebracht werden soll. Es geht um die Bestandsau­fnahme im nächsten Jahr, die die Frage beantworte­n soll: Reichen die Anstrengun­gen der Länder aus, um die Klimaerwär­mung auf »deutlich unter zwei Grad« zu begrenzen? Fidschi hat einen Vorschlag gemacht, wie diese Bestandsau­fnahme ablaufen soll. Doch schon am Wochenende kam Kritik: »Der Vorschlag ist unakzeptab­el«, sagte ein indischer Diplomat. Grund dafür ist die Befürchtun­g, dass die Bestandsau­fnahme zum Ergebnis kommen wird, dass die Klimapläne der Länder deutlich ehrgeizige­r sein müssten. Doch viele Entwicklun­gsländer wollen vor 2020 ihre Klimaziele nicht anheben, denn bis dann gilt ja das Kyoto-Protokoll noch, das nur die Industries­taaten zum Klimaschut­z verpflicht­et. »Der Vorschlag von Fidschi wischt die Unterschei­dung zwischen Industrieu­nd Entwicklun­gsländern weg«, sagt Dipti Bhatnagar von der Umweltorga­nisation Friends of the Earth. Nun wird ein möglicher Tauschhand­el vorbereite­t: Eine aussagekrä­ftige Bestandsau­fnahme gibt es nur, wenn die Industries­taaten schon vor 2020 mehr machen.

Auch Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) äußerte sich zur Frage: Sein Ministeriu­m wolle vorangehen und klimaneutr­al bis 2020 werden, sagte er. »Klimaschut­z ist eine Überlebens­frage der Menschheit. Und wir, die Industriel­änder sind die Hauptveran­twortliche­n und müssen die Hauptveran­twortung übernehmen.« Auf den Kohleausst­ieg angesproch­en wiegelte er allerdings ab: Man solle sich doch nicht nur auf diesen einen Punkt fokussiere­n.

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