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Unter Rassisten und Spaß dabei

Die Showtime-Serie »White Famous« zeichnet ein lustiges, aber wahrhaftig­es Bild vom Alltagsras­sismus in den USA.

- Von Jan Freitag Verfügbar auf Sky

Die Begrüßung zweier Menschen ist heutzutage voller Fallstrick­e. War einst der Händedruck Standard, kann man nun auf viele Arten Kontakt aufnehmen. Die Ghetto-Fist etwa hat es aus der schwarzen Subkultur längst in den weißen Mainstream geschafft – sofern man sie unfallfrei beherrscht. Beim Filmemache­r Jason Gold geht der Rapper-Gruß horizontal aufeinande­rtreffende­r Fäuste, die zugleich Kampfkraft und Verbundenh­eit bezeugen, daneben, als er zum Casting in ein Szene-Café von L.A. bittet, und es ist dabei nicht unerheblic­h, dass es sich bei denen, die da erstmals aufeinande­rtreffen, um einen Weißen und einen Farbigen handelt. Schließlic­h dreht sich in der Sky-Serie »White Famous« alles irgendwie um die Hautfarbe der Protagonis­ten. Genau das macht sie so großartig.

Und relevant. Es geht um den Komiker Floyd Mooney, gespielt von Jared Farrow, der unterm Pseudonym Jay Pharoah auch real zu den Stars im US-amerikanis­chen Stand-up-Gewerbe zählt. Und so wichtig dem fiktionale­n Comedian der Erfolg ist, so obsessiv verbeißt er sich in die soziale Ungleichhe­it der US-Gesellscha­ft. Ob auf der Bühne oder im Bett, unter Freunden oder Kollegen – stets wittert der coole Possenreiß­er Alltagsras­sismus seiner Mitmensche­n und macht daraus Witze für seinesglei­chen, also die schwarze Community, meist auf Kosten der Weißen im Publikum.

Um das zu ändern, bittet ihn der eingangs erwähnte Regisseur nach der versemmelt­en Ghettofaus­tbegrüßung, in einer Komödie mitzuspiel­en, die auch jenseits der eigenen Filterblas­e funktionie­ren könnte. Mit Floyds Antenne für jeden noch so kleinen Anflug von Vorurteile­n jedoch endet das Projekt im Gewitter wechselsei­tiger Vorwürfe. Bis er vom Produ- zenten mit einem Parkplatzw­ärter verwechsel­t wird. Beim Versuch, das geradezubi­egen, verheddert sich der mächtige Stu Beggs (Stephen Tobolowsky) in herkunftsb­ezogener Voreingeno­mmenheit, was Floyds Kumpel Ron (Jacob Ming-Trent) auf Handy festhält, ins Netz stellt und den politisch unkorrekte­n Kinomogul somit in der Tasche hat.

Was dann folgt, ist ein Beleg dessen, zu welch bizarrem Aberwitz das angloameri­kanische Serienfern­sehen in der Lage ist, ohne dabei den Ernst der Dinge zu vergessen. Bevor sich am Ende des ersten von zehn Teilen die Studiotür hinter Floyd schließt, trifft er unter anderem Oscar-Gewinner (und Produzent) Jamie Foxx als Oscar-Gewinner (und Episodenst­ar) Jamie Foxx, der ihm beim Sex in der Garderobe (»ich probe nur«) erklärt, warum der Neuling über seinen Schatten springen und die Hausmeiste­rin eines schwarzen Staatsanwa­lts spielen sollte, der das erste Vergewalti­gungsopfer von Bill Cosby anklagt.

Das ist vom Drehbuch bis zur Ausführung hinreißend komisch, aber eben auch wahrhaftig. Denn der Rassismus, den Floyd Mooney überall sieht, mag manchmal überdreht wirken; gerade in Zeiten eines US-Präsidente­n wie Donald Trump jedoch steckt in jedem Witz weit mehr als nur ein Körnchen Realität. Dass daraus mehr geworden ist als eine Nummernrev­ue feuilleton­istischer Überlegenh­eitsgesten, dafür sorgt allerdings Showrunner Tom Kapinos (»Californic­ation«). Mit Floyd hat er einen Sympathiet­räger kreiert, der zwar schlagfert­ig, cool, prinzipien­treu, selbstlos, menschenfr­eundlich und ein guter Vater ist, aber eben auch selbstgere­cht, ruhmsüchti­g, impertinen­t, zynisch, infantil und ein (wenngleich sehr charmanter) Sexist. Auf so viele Schichten nur einer einzigen Figur dürften wir aus deutscher Produktion vermutlich noch lange warten.

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Foto: Sky/Showtime/Michael Desmond Jay Pharoah als Floyd (li.) und Jamie Foxx als Jamie Foxx (re.)

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