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Krötenschl­ucken samt Helm und Gewehr

Die Grünen sind erstaunlic­h leise geworden, wenn es um Kritik an Bundeswehr und Rüstungsin­dustrie geht

- Von René Heilig

Außen- und Verteidigu­ngspolitik stand am Dienstag auf der Speisekart­e der Sondierung­sverhandle­r. Wählten die Grünen das Krötenmenü? Die Sondierung­en für ein JamaikaBün­dnis sind in der entscheide­nden Phase. Zu den aktuellen Themen, die die Unterhändl­er von CDU, CSU, FDP und Grünen zu besprechen haben, gehören die Verteidigu­ngs- und die Rüstungspo­litik. Da geht es zunächst um Geld. Die Union will die Ausgaben für Verteidigu­ng auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erhöhen. So lautet der NATO-Beschluss. Die FDP zieht da mit, wenn gleichzeit­ig mehr Geld für die Entwicklun­gspolitik ausgegeben wird.

Bislang hatten die Grünen stets gegen dieses Zwei-Prozent-Ziel oppo- niert. Parteichef Cem Özdemir argumentie­rte, mehr Geld für Verteidigu­ng mache die Welt nicht sicherer. Doch sind sich die anderen Verhandlun­gsparteien relativ sicher, die Grünen werden sich nicht verweigern. Erstens sind die Milliarden ja nicht nur für die NATO bestimmt. Die Verteidigu­ngspolitik­er der Grünen werden akzeptiere­n, dass eine Armee, die auch von ihnen mandatiert­e Auslandsei­nsätze absolviere­n muss, eine ordentlich­e Ausbildung und Ausrüstung benötigt. Zugleich ist die von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) vorangebra­chte Offensive für mehr Lebensqual­ität in den Kasernen ein breites Feigenblat­t, hinter dem sich bundeswehr­kritische Grundsätze tarnen lassen. Es ist nicht anzunehmen, dass sich bündnisgrü­ne Verhandler gegen die in der Bundeswehr laufende materielle, finanziell­e und personelle Trendwende stellen. Als Argument zum Schlucken der Ausgabenst­eigerung noch wichtiger ist: Die Zielmarke der Zwei-Prozent-Forderung liegt im Jahr 2024, also jenseits der anvisierte­n JamaikaLeg­islaturper­iode. Union und FDP können den Grünen also viel Leine geben und sich beim Formuliere­n eines Koalitions­vertrages mit einem allgemeine­n Bekenntnis zur Verteidigu­ngspolitik in einer unsicherer geworden Welt zufrieden geben.

Gerade hat die NATO erwartungs­gemäß eine deutliche Verstärkun­g ihres Afghanista­n-Einsatzes bestätigt. 2018 wird die Anzahl der Soldaten von rund 13 000 auf 16 000 steigen. Die Hälfte der zusätzlich­en Kräfte werde von den USA gestellt. Und Deutschlan­d? Ursula von der Leyen kann als nur amtierende Ministerin gegenüber den Verbündete­n darauf verweisen, dass die Bundeswehr ihre Kräfte erst im vergangene­n Jahr auf- gestockt hat. Das war zu einer Zeit der Absetzbewe­gungen. Da die Grünen keinen umgehenden Rückzug aus dem Afghanista­n-Abenteuer, das sie als einstiger Koalitions­partner der SPD 2001 mit angezettel­t haben, fordern, muss das Thema bei dem Sondierung­sgespräche­n nicht besprochen und in einem Koalitions­vertrag festgehalt­en werden.

Das gilt auch für alle anderen Mandate, die deutsche Auslandsei­nsätze betreffen. Wenn es notwendig war, hat sie der neue Bundestag bereits um drei Monate verlängert. Jamaika kann, wenn diese Regierung überhaupt zustande kommt, im kommenden Jahr alles anders machen.

Ein strittiges Thema könnten die Rüstungsex­porte bleiben, mit denen deutsche Konzerne Milliarden­gewinne einheimsen und die Regierung bislang globale Sicherheit­spolitik zu machen glaubte.

Die noch amtierende schwarz-rote Regierung hat sich in den vergangene­n Monaten damit gebrüstet, dass die Exporte zurückgefa­hren wurden. Womöglich werden alle Unterhändl­er der vier Parteien daran anknüpfen und zufrieden sein, wenn man die unter Rot-Grün formuliert­en Exportgrun­dsätze im Zusammenha­ng mit einer strengeren Beachtung von Menschenre­chten in den Empfängerl­ändern betont. Ein Satz zur weiteren Ausgestalt­ung der Grundsätze, der notwendig sein könnte, damit die Grüne Basis nickt, ist leicht formuliert.

Bleibt das Problem von US-Atomwaffen, die im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO auf deutschem Boden stationier­t sind und von deutschen Piloten transporti­ert werden sollen. Einst war die FDP mit den Grünen in einer Atomwaffen-Abzugsfron­t. Derartige Zeiten der Vernunft sind vermutlich vorbei.

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