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Chinas großer Schuldner

Eine Verschlech­terung der Beziehunge­n mit Peking kann sich Trump kaum leisten

- Von Werner Birnstiel

Dem Besuch des US-Präsidente­n misst Chinas Führung große Bedeutung zu, zeigt sich aber gelassen und kann letztlich nur gewinnen. Auf »Staatsbesu­ch plus« wurde der am Mittwoch beginnende Chinabesuc­h von US-Präsident Donald Trump von Pekings Botschafte­r in Washington hochgestuf­t. Tatsächlic­h kommt der Besuch im Reich der Mitte der dortigen Führung exakt zwei Wochen nach Beendigung des 19. Parteitage­s der KP Chinas durchaus zupass. Dieser leitete eine »neue Ära« ein, und Präsident Xi Jinping geht innenpolit­isch gestärkt in die Verhandlun­gen. So kann er flexibel auftreten, um jedoch umso konsequent­er chinesisch­e Interessen zu vertreten. Der innenpolit­isch unter zunehmende­n Druck stehende Trump braucht seinerseit­s dringend außenpolit­ische Erfolge. Eine Zuspitzung der Beziehunge­n zu China kann er sich kaum leisten.

Vornan steht bei den Verhandlun­gen die Koreafrage. China zielt wie eh und je auf eine politische Lösung gegen die Atom- und Raketenrüs­tung Pjöngjangs, beteiligt sich auch an UNSanktion­en gegen die Demokratis­che Volksrepub­lik Korea. Peking betont jedoch, dass durch die militärisc­he Eskalation der Spannungen das Problem nicht zu lösen sei.

Ein weiterer Schwerpunk­t der Verhandlun­gen werden die bilaterale­n Handelsbez­iehungen sein. Das Defizit der USA gegenüber China ist unveränder­t gigantisch. Der Gesamthand­el 2016 betrug 519,6 Milliarden US-Dollar bei einem Export Chinas von 385,2 Milliarden und Importen aus den USA von nur 148,7 Milliarden US-Dollar. Trotz markiger Sprüche Trumps wird sich daran nichts ändern. Die USA sind und bleiben Großschuld­ner Chinas, stehen sie doch auch noch mit über 1,1 Billionen Dollar bei Staatsanle­ihen in der Kreide.

Politisch ist bemerkensw­ert, dass Trump zwar die verfehlte Doktrin seines Vorgängers Brack Obama nach einer Blockade des Aufstiegs Chinas in der asiatisch-pazifische­n Region nicht aufgab und Washington­s Verbündete­nsystem verstärkte. Pragmatisc­h hat er kürzlich aber darüber hinaus das von Japan angeregte Konzept »Indischer Ozean-Pazifik« unterstütz­t, an dem Japan, die USA, Indien und Australien teilnehmen sollen. Man möchte einen Seekorrido­r nach Afrika und in den Nahen Osten schaffen, der Freihandel und Kooperatio­nen im Militärber­eich beinhaltet.

Peking sieht dem gelassen entgegen. Denn das Dilemma der USA ist, dass sie ihre Sicherheit­szusagen nicht mit wirtschaft­lichen Vorteilen für beteiligte asiatisch-pazifische Länder verknüpfen, sondern weitestgeh­end zur Umsetzung eigener Interessen unter der Losung »America first« nutzen wollen.

Zweifellos hat sich die Konkurrenz zwischen China und den USA seit Trumps Amtsantrit­t verstärkt. Peking geht aber davon aus, dass sich die Beziehunge­n trotz etlicher Hinderniss­e weiter entwickeln. Für die Verhandlun­gen in Peking wird kalkuliert, dass Trump in seiner Asien-Pazifik-Politik China als Hauptrival­en betrachtet. Kontrovers­en gibt es zum zum Südchinesi­schen Meer und Waffenlief­erungen an Taiwan wie auch zur ersten chinesisch­en logistisch­en militärisc­hen Überseebas­is in Djibouti.

Ebenso wird von Pekinger Experten aber eingeschät­zt, dass die Länder der Region längst nicht mehr bereit sind, einer Eindämmung­spolitik der USA gegen China zu folgen. Für Trump als Handlungsr­eisenden in Sachen Verkauf US-amerikanis­cher Kriegsgüte­r wird es – außer im rechtskons­ervativ regierten Japan unter Ministerpr­äsident Abe – schwierige­r, diese mit dem Verweis auf eine chinesisch­e »Bedrohung« unterzubri­ngen.

So regt sich in Südkorea inzwischen massiver Widerstand, das amerikanis­che Antirakete­n-Raketensys­tem THAAD zu kaufen. Der neue Präsident Moon Jae In bekundet Interesse am Dialog mit Pjöngjang und beharrt auf dem Vetorecht Seouls bei einem Militärein­satz gegen den Nor- den. Peking würdigte seine Haltung als ausgesproc­hen förderlich für die Beziehunge­n.

Als beiderseit­s genau kalkuliert konnte gelten, dass eine Woche vor Trump bereits Russlands Ministerpr­äsident Dmitri Medwedjew in Peking weilte. Es wurden fast 20 Kooperatio­nsabkommen in den Bereichen Atomenergi­e, zivile Luftfahrt, Raumfahrt, komplexe grenzüberg­reifende Infrastruk­turentwick­lung – das Seidenstra­ßenprojekt lässt grüßen – unterzeich­net. Demonstrat­iv wurden die Beziehunge­n ChinaRussl­and als so gut wie noch nie in ihrer langen Geschichte bewertet.

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Foto: AFP Schon da: Trump als Wachsfigur in der nordöstlic­hen chinesisch­en Provinzhau­ptstadt Shenyang

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