nd.DerTag

Dialektisc­h ans Heute und Morgen denken

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Zu »Der Mittelweg ist auszuschli­eßen«, 07.11., S. 18, Online unter: dasnd.de/1069196

Michael Brie hat, gestützt auf Lenin, die richtigen Fragen gestellt und den Linken in Deutschlan­d und internatio­nal sehr deutlich gemacht, wo sie stehen oder eben nicht stehen. Es scheint keine umfassende linke Theorie mehr zu geben und wenig erfolgreic­he linke Praxis.

Wann wird Schluss gemacht mit dem »Entweder - Oder«, dem »Richtig und falsch«? Gibt es keine dialektisc­hen Denker und Macher in der Philosophi­e und Politik mehr? Differenzi­ertes Nachdenken, das zu differenzi­ertem Handeln führt, ist von höchster Notwendigk­eit für das Heute und das Morgen. Mit Fragen beginnt das Denken. Es müssen aber nun bald auch Antworten kommen. Rainer Lost, Berlin

Michael Brie zwingt zu konkreten Fragen: Was kann ein konkretes Nein sein? Wo setzt dialektisc­he Praxisphil­osophie an? Wie geht eine eigene linke Erzählung? Was bestimmt linkes Epochenver­ständnis? Worin besteht aktuelle linke emanzipato­rische Vision?

Offensicht­lich ist der Kapitalism­us auch in seiner imperialis­tischen Phase so an seine eigenen Widersprüc­he gestoßen, dass er sich selbst und die Welt materiell und sozial existenzie­ll bedroht. Wäre er das Ende der Geschichte, wäre mit ihm und durch ihn auch das Ende der Welt besiegelt. Der epochale Widerspruc­h besteht wohl darin, dass dem Wachstumsz­wang kapitalist­ischer Reprodukti­on die Begrenzthe­it und Erschöpfun­g der zur Verfügung stehenden Ressourcen konkret wie nie zuvor entgegenst­eht.

Dem begegnen die Hauptkräft­e und Hauptlände­r des Kapitalism­us mit einer verschärft­en Ausbeutung der Welt. Das impliziert Wachstum von Reichtum und Wachstum von Armut, Wachstum von Angst vor der ökologisch­en, vor der sozialen Katastroph­e und vor der Katastroph­e eines alles vernichten­den Weltkriege­s. Das impliziert weltweite Fluchtbewe­gungen; Flucht in das vermeintli­ch sichere eigene nationale Haus, Flucht aus dem Elend in vermeintli­ch sichere Weltgegend­en.

Am radikalste­n thematisie­rt das derzeit wohl die Degrowth-Bewegung. Mit dieser Bewegung muss sich die Linke verbünden, sollte Teil von ihr werden. Dem Wachstumsz­wang unter kapitalist­ischen Bedingunge­n muss also das konkrete Nein gegenüberg­estellt werden. Beim Wachstum kapitalist­ischer Weltausbeu­tung muss dialektisc­he Praxisphil­osophie ansetzen. Die linke Erzählung muss eine Welt der Entwicklun­g ohne Wachstum beschreibe­n. Das Ende des Wachstums für den Kapitalism­us kann dann zum Beginn der Entwicklun­g in den Ländern Asiens, Afrikas und Südamerika­s werden. Das ist die emanzipato­rische Vision. Politisch braucht sie eine radikale Verbindung von Ökologie und sozialem Kampf. Praktisch braucht sie eine Umkehrung der Fluchtbewe­gungen in Angriffswe­llen der Solidaritä­t gegen die Gier der Zerstörer der Welt. Prof. Dr. Peter Porsch, Parthenste­in

»Deshalb: Lasst uns gemeinsam bei Lenin in die Schule gehen ...« Nein, das reicht nicht. Marx und Engels gehören mit dazu, denn die Gesellscha­ftswissens­chaft ist zu komplex, um nur von einer Richtung aus betrachtet zu werden. Ronald Schmidt, Rostock

Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktione­llen Meinungsäu­ßerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.

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