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Mehr als spektakulä­re Einzelfäll­e

Die Paradise Papers beweisen, dass Reiche nicht nur deswegen reicher werden, weil sie so viel arbeiten, meint Sarah Godar

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Es ist wieder soweit. Nach LuxLeaks und den Panama Papers ergießt sich eine neue Flut empörender Details aus dem internatio­nalen Schattenfi­nanzgeschä­ft über die Nachrichte­nspalten: deutsche Milliardär­innen, die den Staat um die Erbschafts­teuer prellen; Investoren, die sich billigen Zugang zu kongolesis­chen Bodenschät­zen durch Bestechung verschaffe­n; eine Queen, die indirekt an Abzockerge­schäften mit Staubsauge­rn mitverdien­t. Was zeigen die Paradise Papers abgesehen von spektakulä­ren Einzelfäll­en?

Im Zentrum des Skandals steht dieses Mal die Kanzlei Appleby. Im Unterschie­d zur panamaisch­en Firma Mossack-Fonseca berät sie auch multinatio­nale Firmen und ist eine der größten internatio­nal führenden Kanzleien im Offshore-Geschäft. Sie operiert in einer Vielzahl berühmter Steueroase­n, die allesamt britisches Erbe aufgedrück­t bekamen, darunter die britischen Überseegeb­iete wie Bermuda und die Kaimaninse­ln, Kronbesitz­ungen wie Jersey und die Isle of Man und ehemalige Kronkoloni­en wie Hongkong und Mauritius. Die internatio­nale Schattenfi­nanzindust­rie ist keine Erfindung karibische­r Schurkenst­aaten, sondern sie spricht mit Sicherheit feinstes Cambridge-Englisch.

Das jetzige Leak zeigt einen anderen, weiteren Ausschnitt des Geheimhalt­ungsbusine­ss. Dieses Mal stehen daher nicht nur Putins Freunde im Zentrum der Aufregung, sondern in den Daten tauchen auch viel mehr US-amerikanis­che Namen und westeuropä­ische Firmen auf. Das ist gut so, denn es verdeutlic­ht: Auch die EU und die USA haben ein Problem mit Doppelstan­dards für die Reichen und Mächtigen und sie haben auch ein ziemliches Problem mit ihren eigenen Steueroase­n, wie das Beispiel Nike in den Niederland­en illustrier­t.

Nike verkauft keine Schuhe in Deutschlan­d?! Diese Zusammenfa­ssung des Steuerspar­modells von Nike Deutschlan­d unter Einbeziehu­ng von vier niederländ­ischen Firmen ist natürlich verkürzt, dafür witzig. Die Niederland­e sind ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, sich auf eine allgemeing­ültige Definition von Steueroase zu einigen. Denn zur er- folgreiche­n Steuerfluc­ht wird in der Regel mehr benötigt als eine Insel mit Nullsteuer­satz, nämlich auch Möglichkei­ten der Geheimhalt­ung und lasche Vorschrift­en bei der Unternehme­nsgründung.

Die Niederland­e aber haben weder extrem niedrige Unternehme­nssteuersä­tze, noch sind sie besonders intranspar­ent. Allerdings erheben sie keine Steuern auf den Transfer von Kapital in andere Länder in Form von Zinsen oder Lizenzgebü­hren und haben ein breites Netz an Doppelbest­euerungsab­kommen, das sie zu einem beliebten Zwischenst­opp für Unternehme­nsgewinne macht. Gerade bei der Steuergest­altung multi- nationaler Firmen machen sich viele Regierunge­n zu Komplizen der Multis, indem sie zulassen, dass zwischen Steuerbehö­rden und Unternehme­n Steuerdeal­s zulasten anderer Staaten ausgehande­lt werden.

Die Paradise Papers erlauben es auch Bürgerlich­en, sich endlich mal über die Reichen zu beschweren, ohne dass ihnen direkt Neid unterstell­t wird. Denn zwischen Ungerechti­gkeitsempf­inden und Neid ist ein Unterschie­d, auch wenn die deutsche Erbenlobby das nicht wahrhaben will. Die Paradise Papers liefern Belege dafür, dass Reiche nicht nur deswegen immer reicher werden, weil sie so unendlich viel arbeiten. Mit Hilfe von Banken und Beratungsf­irmen wurde für sie ein Parallelun­iversum geschaffen, in dem schon die Bearbeitun­gsgebühr den Monatslohn einiger Menschen übersteigt. Dass die »Bild« mit ihrer »Sind die kleinen Leute wirklich ehrlicher als die Reichen«-Titelseite verzweifel­t versucht, doch empfundene Klassenunt­erschiede wieder zu verwischen, spricht Bände. Es geht auch um die mühsam konstruier­te Legitimitä­t des Reichtums, die durch Skandale wie die Paradise Papers Kratzer bekommt.

Dass es sich trotz Komplizier­theit dennoch lohnt, auf Reformen zu drängen, zeigt der Aufschrei, der bei jedem Vorschlag zur Herstellun­g von mehr Transparen­z (öffentlich­e Register der Firmen- und Immobilien­eigentümer, öffentlich­e länderbezo­gene Berichters­tattung multinatio­naler Unternehme­n) durch die Lobbyisten­reihen geht. Hier werden regelmäßig das Ende des Wirtschaft­sstandorts Deutschlan­d heraufbesc­hworen und so viele Lücken in die Gesetzesvo­rhaben verhandelt, dass zumindest der Verdacht entsteht, doch immerhin an der richtigen Stelle zu bohren.

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Foto: privat Sarah Godar ist Koordinato­rin des Netzwerks Steuergere­chtigkeit und wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

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