Der Kronprinz verschärft den Ton
Aggressive Stimmungsmache Saudi-Arabiens gegen seine Nachbarstaaten
Scharfe Töne aus Riad: Saudi-Arabien macht Iran für einen Raketenabschuss aus Jemen verantwortlich, sieht sich im »Krieg mit Libanons Regierung«. In der Region befürchtet man eine Eskalation. Der saudische Botschafter kam am Mittwoch kurz nach neun Uhr und zwar gleich ins Büro des irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi. Abdulaziz al-Schamarri habe dazu aufgefordert, den Einfluss Irans in Irak einzudämmen, Abadi Vorwürfe gemacht, berichtete ein Sprecher von Abadi in unüblicher Offenheit.
Denn keine Frage: Man ist sauer. Jahrzehntelang waren die Beziehungen zu Saudi-Arabien sehr schlecht; erst 2015 hatte man Botschafter ausgetauscht, aber schon Ende 2016 forderte die irakische Regierung SaudiArabien dann dazu auf, Botschafter Thamer al-Sabhan abzulösen, nachdem der die iranische Unterstützung für schiitische Milizen kritisiert hatte, die zusammen mit dem Militär gegen den Islamischen Staat kämpfen. Schamarri, der seitdem die Amtsgeschäfte in der Botschaft führte, war erst am Wochenende offiziell zum Botschafter ernannt worden.
Seit Sonnabend droht und wettert Saudi-Arabiens starker Mann, Kronprinz Mohammed bin Salman, gegen Iran und alle Staaten, die sich aus saudischer Sicht nicht klar genug an der Seite Saudi-Arabiens positionieren. Mit der libanesischen Regierung sieht man sich gar »im Krieg«, nachdem der von Saudi-Arabien unterstützte Regierungschef Saad Hariri am Wochenende zurückgetreten war. Grund dafür sei der enorme Einfluss der von den iranischen Revolutionsgarden unterstützten Hisbollah.
Israels Regierung begrüßt die scharfen Töne aus Riad, denn man ist schon seit langem dabei, eine strategische Allianz mit dem Königreich gegen Iran aufzubauen. Ziel von diplomatischen Angriffen ist aber auch Katar, das sich dem saudischen Druck nach wie vor nicht beugen mag, Oman, Kuwait und eben die Regierung Iraks.
Offiziell wurde Saudi-Arabiens Verstimmung von einer Rakete ausgelöst, die kurz vor Riad abgefangen worden sein soll. Saudi-Arabien sagt, es habe sich dabei um eine Waffe aus iranischer Produktion gehandelt; die von den Huthi-Milizen in Jemen abgeschossen worden sei. Akribisch beschreiben saudische Diplomaten gerne auf Nachfrage die Schmuggelrouten, die entweder durch Oman und von Al Qaida kontrollierte Gebiete in Jemen oder Somalia durch eine der militärisch bestüberwachten Meeresregionen der Welt führen sollen, und werfen Iran vor, damit für den Krieg in Jemen verantwortlich zu sein.
Die iranischen Revolutionsgarden bestreiten die Waffenlieferungen, westliche Diplomaten melden zumindest Zweifel an den saudischen Darstellungen an: Im gesamten letzten Jahr sei keine einzige Waffenlieferung aufgehalten worden, und dies in einem Gebiet, das sehr engmaschig überwacht wird.
Omans Außenminister Jusuf bin Alawi bin Abdullah weist den Vorwurf, man tue nicht genug gegen Waffenschmuggel, zurück, zweifelt gar an, dass es überhaupt einen Raketenabschuss auf Riad gegeben hat: »Niemand hat dafür bislang Beweise gesehen«, sagt er; »von den HuthiGebieten bis nach Riad sind es 900 Kilometer. Raketen, die so weit reichen, hätten in Jemen nur einen einzigen Sinn, nämlich Saudi-Arabien zu härteren Maßnahmen zu bewegen.«
Ex-Botschafter Sabhan ist übrigens nun als Minister für die »Beziehungen zu den Golfstaaten« zuständig, versucht, diese selbstbewussten Staaten auf die Linie der erzkonservativen Monarchie zu bringen, in der Kronprinz Mohammad bin Salman seit einer Verhaftungswelle am Wochenende de facto zum Alleinherrscher aufgestiegen ist. In den saudischen Medien wird der Thronfolger für die scharfe Gangart gefeiert: Er sei der »Garant der Zukunft und der Stabilität der gesamten Region«.
Und auch US-Präsident Donald Trump teilt mit, die saudische Re- gierung wisse, was sie tue. Doch tatsächlich geben sich selbst die Vereinigten Arabischen Emirate, die sonst immer mit dem großen Nachbarn an einem Strang ziehen, zurückhaltend: Es werde keine Ausweitung der eigenen Beteiligung am Jemen-Einsatz geben.
In Kuwait, dem Saudi-Arabien nun vorwirft zuzulassen, dass in kuwaitischen Gewässern iranische Waffen von großen auf kleine Schiffe umgeladen werden, warnt Außenminister Scheich Sabah al-Khaled al-Hamad alSabah davor, die saudische Regierung sei »auf dem Weg in die Isolation«: Man arbeite »seit Jahren mit den Regierungen der Region und den Vereinten Nationen an einer Lösung für die Konflikte der Region; das Handeln der saudischen Regierung war und ist dabei nicht sehr hilfreich.«