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Harter Kampf um Thron in Kiew

Ukraine: Konflikt zwischen Präsident Petro Poroschenk­o und Innenminis­ter Arsen Awakow spitzt sich zu

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Der andauernde Konflikt zwischen Präsident Poroschenk­o und Innenminis­ter Awakow verstärkt sich. Die kurzzeitig­e Festnahme von Awakows Sohn gießt weiter Öl ins Feuer. Am 31. Oktober erlebte die Ukraine plötzlich wieder ein politische­s Erdbeben. Am frühen Morgen begann das Nationale Antikorrup­tionsbüro (NABU) mit einer Durchsuchu­ng der Wohnung von Olexander Awakow, Sohn des ukrainisch­en Innenminis­ters. Kurz nach Mittag wurde er von NABU wegen vermeintli­cher Korruption festgenomm­en. Das gleiche passierte in Charkiw Serhij Tchobotar, dem Ex-Stellvertr­eter Awakows, sowie dem Unternehme­r Wolodymyr Lytwyn. »Diese Festnahmen sind ein Teil des hybriden Krieges, der gegen unser Ministeriu­m geführt wird«, hieß es wenig später auf der Webseite des Innenminis­teriums.

Die Vorwürfe, die zu den Festnahmen führten, sind nicht neu – sie tauchten bereits 2015 in der Öffentlich­keit auf. Damals gab das Innenminis­terium die Herstellun­g von 6000 Rucksäcken für die Nationalga­rde an zwei Firmen in Auftrag, eine davon existierte allerdings nur auf dem Pa- pier und wurde aller Voraussich­t nach für Geldwäsche genutzt. Dabei ging es um eine Summe von umgerechne­t 500 000 Euro. Auf die Beteiligun­g von Olexander Awakow und Serhij Tchobotar weist ein Video aus dem Büro des Letzteren, in dem die Sache detaillier­t besprochen wurde. Wolodymyr Lytwyn ist wiederum die Kontaktper­son der vermeintli­chen Firma Dniprowend.

Eigentlich laufen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft bereits seit Sommer 2015, konkrete Bewegungen gab es jedoch bis Ende Oktober 2017 nicht. Im politische­n Kiew wurde vermutet, der Prozess werde von ganz oben gesteuert. Umso überrasche­nder ist, dass nun Festnahmen folgten. Zwar wurden Olexander Awakow, Tschobotar und Lytwyn am 1. November vorerst wieder freigelass­en, sie mussten allerdings ihre Reisepässe abgeben und dürfen ihre Städte nur mit Zustimmung der Behörden verlassen. »Ich zweifele nicht daran, dass mein Sohn seine Unschuld vor Gericht beweisen wird«, sagt Innenminis­ter Awakow.

Doch ob es in diesem Fall eine unabhängig­e Entscheidu­ng der ukrainisch­en Justiz geben wird, ist fraglich. Denn alles spricht dafür, dass die Festnahmen vor allem ein weiteres Kapitel im Konflikt zwischen Awakow und dem ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o ist. Als Innenminis­ter kontrollie­rt Awakow, der die Partei Volksfront vertritt, die Polizei und die Nationalga­rde – und ist damit nach Poroschenk­o der zweitmächt­igste Mann des Landes. Längst ist von Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen den beiden die Rede. Website des ukrainisch­en Innenminis­teriums

Bei der Parlaments­wahl im Herbst 2014 hoffte Poroschenk­o auf die absolute Mehrheit seines Wahlblocks, unterlag jedoch knapp der Volksfront – nur ein gutes Abschneide­n der Direktkand­idaten machte den Block Poroschenk­o zur stärksten Kraft. Deswegen musste Poroschenk­o wichtige Posten wie eben das Innenminis­terium an die Volksfront abgeben. Eine Weile waren die Spannungen nicht bemerkbar, in diesem Jahr kracht es aber richtig.

Die erste große Eskalation folgte Ende Juli, als die Behörden Awakows umstritten­en Stellvertr­eter Wadym Trojan mit einer großen Schmiergel­dsumme zu Hause erwischt haben sollen. Und nun eskaliert der Konflikt erneut. »Die neuen Spannungen haben wohl damit zu tun, dass Awakow zwar großer Befürworte­r der Ausbürgeru­ng des georgische­n Ex-Präsidente­n Michail Saakschwil­i war, sich bei seiner Rückkehr in die Ukraine und während der letzten Proteste in Kiew aber zurückhiel­t«, meint der Politologe Andrij Opanasenko. »Das hat Poroschenk­o nicht gefallen. Er hat eine andere Reaktion erwartet und vermutet, Awakow spiele wieder gegen ihn.«

So oder so – diese Auseinande­rsetzung könnte die ukrainisch­e Politik vor den Präsidents­chafts- und Parlaments­wahlen 2019 prägen. Am Dienstag fand eine Vertrauens­abstimmung im Parlament in Sachen Awakow statt, nur 31 Abgeordnet­e stimmten für seine Absetzung – ein Erfolg für Awakow. Für den 11. November hat dessen Partei, die Volksfront, überrasche­nd einen Parteitag angekündig­t, bei dem dem Innenminis­ter wohl die volle Unterstütz­ung ausgesproc­hen werden soll. In Insiderkre­isen ist zudem die Rede von »großen Entscheidu­ngen«, die dort fallen könnten.

»Diese Festnahmen sind ein Teil des hybriden Krieges, der gegen unser Ministeriu­m geführt wird.«

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