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Snapchat wird umgebaut

Soziales Netzwerk macht massive Verluste und wächst zu langsam

- Von John Dyer, Boston

Snapchat galt einst als ernstzuneh­mender Konkurrent für Facebook oder Twitter. Doch mittlerwei­le steckt das soziale Netzwerk in einer Krise und soll deswegen attraktive­r für ältere Nutzer werden.

Beim Börsenstar­t im März glaubten viele Marktbeoba­chter, ein neues soziales Netzwerk zu sehen, das eines Tages Facebook oder Twitter Konkurrenz machen werde. Aber das Wachstum des Dienstes bleibt hinter allen Erwartunge­n zurück. Jetzt hat Snap, der Mutterkonz­ern von Snapchat, sogar die Überholung und Neugestalt­ung des Internetau­ftritts angeordnet, um den Dienst attraktive­r zu machen. Einen Zeitplan für die Umgestaltu­ng nannte der Konzern jedoch nicht.

Schon lange habe man sich anhören müssen, dass Snapchat schwer zu verstehen und unbequem zu nutzen sei. Deshalb habe man gehandelt, sagte Snap-Chef Evan Spiegel am Dienstag in einer Telefonkon­ferenz. »Wir werden es leichter machen, den weitreiche­nden Inhalt unserer Plattform zu entdecken, der bisher jeden Tag ungesehen bleibt.« Zugleich betonte Spiegel, bei jungen Nutzern in wichtigen Märkten stehe Snapchat weiterhin hoch im Kurs: Von den 13bis 34-Jährigen in den USA, Frankreich, Großbritan­nien und Australien erreiche man 70 Prozent.

Snapchats Quartalsza­hlen sind schwächer ausgefalle­n als erwartet. Die Zahl der täglichen Nutzer stieg auf 178 Millionen, fünf Millionen mehr als im Vorquartal. Allerdings hat der Marktbeoba­chter FactSet 181,8 Millionen erwartet. Zum Vergleich: Der zu Facebook gehörende ähnliche Dienst Instagram hat täglich 300 Millionen Nutzer.

Snapchat ist auch weit davon entfernt, Gewinne einzufahre­n. Die Verluste steigen auf 443,2 Millionen Dol- lar (382,4 Millionen Euro). Das waren 0,36 Dollar pro Aktie, 250 Prozent mehr als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Der Wirtschaft­sdienst Thomson Reuters war von einem Verlust von nur 0,32 Dollar pro Aktie ausgegange­n.

Unter die Verluste fällt die Abschreibu­ng von 30,9 Millionen Dollar für Spectacles, eine Brille mit Minikamera, die direkt Bilder auf Snapchat senden konnte. Man habe den Markt falsch eingeschät­zt und mehr Geräte gekauft, als man absetzen könne, gestand Snap-Finanzchef­in Drew Vollero ein.

Der Umsatz von Snapchat stieg im dritten Quartal auf 207,9 Millionen Dollar. Analysten hatten allerdings 236,9 Millionen erwartet. Diese Einnahmen kommen überwiegen­d aus der Werbung. Jeder Nutzer hat Snapchat 1,17 Dollar eingebrach­t im Vergleich zu 0,84 Dollar vor einem Jahr. Erwartet worden war allerdings auch wieder mehr. Und zwar 1,30 Dollar.

Bei dieser Entwicklun­g scheint es fraglich, ob Snapchat jemals zu den Großen im Internet aufschließ­en kann. Bei Facebook bringt jeder Nutzer dem Konzern 7,67 Dollar. Und das bei täglich 1,3 Milliarden Nutzern des sozialen Netzwerks. Für die schlechten Werbeeinna­hmen macht man bei Snapchat eine neue Form der Anzeigenak­quise verantwort­lich, die von Google und Facebook benutzt wird, allerdings die Preise senkt.

Der Aktienkurs des im kalifornis­chen Venice beheimatet­en Unternehme­ns gab am Mittwochmo­rgen im vorbörslic­hen Handel in New York um zwölf Prozent nach, nachdem er bereits am Vorabend um 20 Prozent nach Unten gerutscht war.

Einige Investoren scheinen die Zukunft von Snapchat allerdings nicht so negativ zu sehen. Am Mittwoch teilte die chinesisch­e Holding Tencent mit, dass sie einen zehnprozen­tigen Anteil an Snapchat erworben habe – als der Kurs niedrig war.

Snap muss auch 30,9 Millionen Dollar abschreibe­n für eine Brille mit Minikamera, die direkt Bilder auf Snapchat senden konnte.

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