Sorbisch nur mit Vorkenntnissen
Elterninitiative der Minderheit wehrt sich gegen Bedingungen in neuer Schulverordnung
Sorbischunterricht ohne Vorkenntnisse erst ab Klasse 3 und dann alternativ zu Englisch – Kathleen Komolka und ihre Mitstreiter sind damit nicht einverstanden. Am Freitag kommt die Bildungsministerin.
Die neue Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) besucht an diesem Freitag das Niedersorbische Gymnasium in Cottbus. Die Elterninitiative für den Erhalt des Sorbischunterrichts lud die Politikerin ein und wird sie traditionell mit Brot und Salz, Tanz und Gesang begrüßen. Mittanzen – der frühere Bildungsminister Günter Baaske (SPD) habe sich einst dazu bewegen lassen – wolle Ministerin Ernst leider nicht, bedauert Kathleen Komolka von der Elterninitiative. Aber das sei nun wirklich nicht schlimm. Wichtig sei, dass die Ministerin komme und sich die Sorgen der Eltern anhöre.
Umstritten ist immer noch die neue Sorben-Schulverordnung. Schon seit vielen Monaten wird um den teils bereits abgeänderten Entwurf gerungen. Ursprünglich sollte eine Mindestanzahl von zwölf Schülern pro Klasse festgeschrieben werden. An 23 verschiedenen Schulen in der Niederlausitz wird Sorbischunterricht angeboten. In vielen Jahrgangsstufen interessieren sich aber weniger als zwölf Mädchen und Jungen für das Erlernen der Sprache der niedersorbischen Minderheit.
Wäre die Verordnung mit der genannten Mindestschülerzahl in Kraft gesetzt worden, so hätte dies an vielen Schulen das Aus für den Sorbischunterricht bedeutet. Die Schüler hätten für die Sorbischstunden an andere Bildungsstätten pendeln müssen. Viele hätten dann sicherlich einfach verzichtet.
Doch das Bildungsministerium reagierte auf Proteste. In der jetzt vorliegenden Fassung sei die Rede von 5 bis 15 Schülern pro Klasse, lobt Komolka. Der Obergrenze kann sie viel abgewinnen. Im vergangenen Schuljahr gab es an einigen wenigen Stellen auch Klassen mit etwas mehr als 15, in einem Fall sogar mit 25 Schülern. Hier wäre künftig eine Teilung solcher Klassen möglich. In kleineren Gruppen lernt es sich natürlich besser.
Die Untergrenze hält Komolka jedoch auch nach der deutlichen Absenkung von zwölf auf fünf für prinzipiell falsch. Es gebe einen Rechtsanspruch auf den Sorbischunterricht. Eigentlich dürfe also überhaupt keine Untergrenze genannt werden, findet die Mutter, deren Töchter das Niedersorbische Gymnasium sowie die Grundschule und die Witaj-Kita »Mato Rizo« in Sielow besuchen. Witaj heißt Willkommen und zeigt an, dass die Erziehung in dieser Kita zweisprachig erfolgt.
Das größte Problem mit dem jüngsten Entwurf für die neue Sorben-Schulverordnung haben die Eltern gegenwärtig mit der Vorgabe, dass es Sorbischunterricht in der 1. und 2. Klasse nur für Kinder geben soll, die über Vorkenntnisse verfü- gen. Das sind die Kinder, die eine Witaj-Kita besucht haben oder die aus Familien stammen, in denen sorbisch gesprochen wird. 77 Prozent der Schulkinder, die am Sorbischunterricht teilnehmen, verfügten jedoch nicht über Vorkenntnisse, erläutert Komolka. Diese Kinder dürften dann erst in der 3. Klasse in den Genuss von Sorbischstunden kommen. Sie müssten dazu aber das Sorbische als ihre erste Fremdsprache wählen – alternativ zu Englisch. Da Englischkenntnisse enorm wichtig seien, würden sich sicher wenige Eltern für das Sorbische und gegen das Englische entscheiden, warnt Komolka. Das wäre eine existenzielle Bedrohung für das Weiterleben der auch so schon bedrohten slawischen Sprache.
Damit nicht genug. Der Sprachunterricht für die Kinder mit Vorkenntnissen würde sich in der 1. und 2. Klasse auf 20 Minuten beschränken. Die übrigen 25 Minuten der einen Schulstunde pro Woche wären anderen Dingen gewidmet, etwa den sorbischen Bräuchen. 20 Minuten pro Woche seien für den Sprachunterricht einfach zu wenig, kritisiert Komolka. Die 38-jährige betont jedoch, die Elterninitiative unterstelle dem Bildungsressort keineswegs die Absicht, die niedersorbische Sprache auslöschen zu wollen. Offensichtlich sei den Verantwortlichen in Potsdam nur nicht klar, was die fatalen Folgen der Regelung in der Schulverordnung sein könnten.
Die Kritikpunkte der Eltern sollen nun am Niedersorbischen Gymnasium beredet werden. »Wir möchten diesem Gespräch nicht vorgreifen«, sagt Ministeriumssprecher Ralph Kotsch auf Anfrage. Die Ministerin werde anschließend an den nicht öffentlichen Termin ein Statement abgeben. So bleibt zunächst auch offen, wann die Verordnung nun erlassen werden soll. Dem Vernehmen nach signalisierte das Bildungsministerium allerdings, damit eventuell noch zu warten und auch noch Veränderungen am Text vorzunehmen.