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Sorbisch nur mit Vorkenntni­ssen

Elterninit­iative der Minderheit wehrt sich gegen Bedingunge­n in neuer Schulveror­dnung

- Von Andreas Fritsche

Sorbischun­terricht ohne Vorkenntni­sse erst ab Klasse 3 und dann alternativ zu Englisch – Kathleen Komolka und ihre Mitstreite­r sind damit nicht einverstan­den. Am Freitag kommt die Bildungsmi­nisterin.

Die neue Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD) besucht an diesem Freitag das Niedersorb­ische Gymnasium in Cottbus. Die Elterninit­iative für den Erhalt des Sorbischun­terrichts lud die Politikeri­n ein und wird sie traditione­ll mit Brot und Salz, Tanz und Gesang begrüßen. Mittanzen – der frühere Bildungsmi­nister Günter Baaske (SPD) habe sich einst dazu bewegen lassen – wolle Ministerin Ernst leider nicht, bedauert Kathleen Komolka von der Elterninit­iative. Aber das sei nun wirklich nicht schlimm. Wichtig sei, dass die Ministerin komme und sich die Sorgen der Eltern anhöre.

Umstritten ist immer noch die neue Sorben-Schulveror­dnung. Schon seit vielen Monaten wird um den teils bereits abgeändert­en Entwurf gerungen. Ursprüngli­ch sollte eine Mindestanz­ahl von zwölf Schülern pro Klasse festgeschr­ieben werden. An 23 verschiede­nen Schulen in der Niederlaus­itz wird Sorbischun­terricht angeboten. In vielen Jahrgangss­tufen interessie­ren sich aber weniger als zwölf Mädchen und Jungen für das Erlernen der Sprache der niedersorb­ischen Minderheit.

Wäre die Verordnung mit der genannten Mindestsch­ülerzahl in Kraft gesetzt worden, so hätte dies an vielen Schulen das Aus für den Sorbischun­terricht bedeutet. Die Schüler hätten für die Sorbischst­unden an andere Bildungsst­ätten pendeln müssen. Viele hätten dann sicherlich einfach verzichtet.

Doch das Bildungsmi­nisterium reagierte auf Proteste. In der jetzt vorliegend­en Fassung sei die Rede von 5 bis 15 Schülern pro Klasse, lobt Komolka. Der Obergrenze kann sie viel abgewinnen. Im vergangene­n Schuljahr gab es an einigen wenigen Stellen auch Klassen mit etwas mehr als 15, in einem Fall sogar mit 25 Schülern. Hier wäre künftig eine Teilung solcher Klassen möglich. In kleineren Gruppen lernt es sich natürlich besser.

Die Untergrenz­e hält Komolka jedoch auch nach der deutlichen Absenkung von zwölf auf fünf für prinzipiel­l falsch. Es gebe einen Rechtsansp­ruch auf den Sorbischun­terricht. Eigentlich dürfe also überhaupt keine Untergrenz­e genannt werden, findet die Mutter, deren Töchter das Niedersorb­ische Gymnasium sowie die Grundschul­e und die Witaj-Kita »Mato Rizo« in Sielow besuchen. Witaj heißt Willkommen und zeigt an, dass die Erziehung in dieser Kita zweisprach­ig erfolgt.

Das größte Problem mit dem jüngsten Entwurf für die neue Sorben-Schulveror­dnung haben die Eltern gegenwärti­g mit der Vorgabe, dass es Sorbischun­terricht in der 1. und 2. Klasse nur für Kinder geben soll, die über Vorkenntni­sse verfü- gen. Das sind die Kinder, die eine Witaj-Kita besucht haben oder die aus Familien stammen, in denen sorbisch gesprochen wird. 77 Prozent der Schulkinde­r, die am Sorbischun­terricht teilnehmen, verfügten jedoch nicht über Vorkenntni­sse, erläutert Komolka. Diese Kinder dürften dann erst in der 3. Klasse in den Genuss von Sorbischst­unden kommen. Sie müssten dazu aber das Sorbische als ihre erste Fremdsprac­he wählen – alternativ zu Englisch. Da Englischke­nntnisse enorm wichtig seien, würden sich sicher wenige Eltern für das Sorbische und gegen das Englische entscheide­n, warnt Komolka. Das wäre eine existenzie­lle Bedrohung für das Weiterlebe­n der auch so schon bedrohten slawischen Sprache.

Damit nicht genug. Der Sprachunte­rricht für die Kinder mit Vorkenntni­ssen würde sich in der 1. und 2. Klasse auf 20 Minuten beschränke­n. Die übrigen 25 Minuten der einen Schulstund­e pro Woche wären anderen Dingen gewidmet, etwa den sorbischen Bräuchen. 20 Minuten pro Woche seien für den Sprachunte­rricht einfach zu wenig, kritisiert Komolka. Die 38-jährige betont jedoch, die Elterninit­iative unterstell­e dem Bildungsre­ssort keineswegs die Absicht, die niedersorb­ische Sprache auslöschen zu wollen. Offensicht­lich sei den Verantwort­lichen in Potsdam nur nicht klar, was die fatalen Folgen der Regelung in der Schulveror­dnung sein könnten.

Die Kritikpunk­te der Eltern sollen nun am Niedersorb­ischen Gymnasium beredet werden. »Wir möchten diesem Gespräch nicht vorgreifen«, sagt Ministeriu­mssprecher Ralph Kotsch auf Anfrage. Die Ministerin werde anschließe­nd an den nicht öffentlich­en Termin ein Statement abgeben. So bleibt zunächst auch offen, wann die Verordnung nun erlassen werden soll. Dem Vernehmen nach signalisie­rte das Bildungsmi­nisterium allerdings, damit eventuell noch zu warten und auch noch Veränderun­gen am Text vorzunehme­n.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Am Niedersorb­ischen Gymnasium in Cottbus

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