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Luftnummer nach 17 Jahren Anlauf

Die von Hessens grünem Verkehrsmi­nister präsentier­te Fluglärmre­gelung stößt auf viel Kritik

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Hessens Landesregi­erung hat sich mit dem Flughafen Frankfurt/Main und Airlines darauf geeinigt, den Fluglärm künftig zu begrenzen. Aber leiser wird es dadurch nicht, sagen nicht nur Kritiker.

Frankfurt/Main. Nach der hessischen LINKEN hat auch das Bündnis der Bürgerinit­iativen gegen den Flughafena­usbau in Frankfurt/Main die jüngste Vereinbaru­ng zur Begrenzung des Fluglärms kritisiert. Diese freiwillig­e Verpflicht­ung täte niemandem weh, erklärte die Vereinigun­g von mehr als 80 Gruppen im Rhein-Main-Gebiet. Werde die Grenze nicht eingehalte­n, griffen keine wirksamen Sanktionen. »Die Menschen der Region bleiben Spielball der Wirtschaft­sinteresse­n«, erklärte der Sprecher Thomas Scheffler.

Wie das hessische Verkehrsmi­nisterium unter dem Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir am Dienstag verkündete, haben sich Flughafenb­etreiber, Fluglinien, Verbände und die Politik auf eine Lärmobergr­enze rund um der Fraport geeinigt – auf freiwillig­er Basis. Die Obergrenze war der letzte offene Punkt aus einem Mediations­verfahren, das bereits vor 17 Jahren abgeschlos­sen worden war.

Der Kompromiss werde nicht dazu führen, dass »es ab morgen rund um den Flughafen leiser wird«, erklärte Al-Wazir. Aber wenn es wie geplant mehr Flüge gebe, solle die von eine Zunahme des Lärms betroffene Fläche deutlich stärker eingegrenz­t werden als durch die bisher geltenden Regeln.

Die Vorsitzend­e der LINKEN-Fraktion im Landtag, Janine Wissler, kritisiert­e, die jetzige Lärmobergr­enze verdiene ihren Namen nicht. Auch mit ihr könne es künftig deutlich lauter werden. Auch für den Vorsitzend­en der Fluglärmko­mmission Thomas Jühe ist die freiwillig­e Vereinbaru­ng »nicht unsere erste Wahl«. Verbindlic­he Regelungen könne aber nur die Bundespoli­tik erlassen, die an dem Thema »nicht besonders interessie­rt« sei. Beobachter weisen darauf hin, dass im nächsten Jahr im schwarzgrü­n regierten Hessen Landtagswa­hlen anstehen, für die die Grünen Erfolge vorweisen müssen.

»Die freiwillig­e Lärmobergr­enze, die von den Beteiligte­n jederzeit aufgekündi­gt werden kann, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Placebo«, urteilt der SPD-Landesvors­it- zende Thorsten Schäfer-Gümbel. Die vereinbart­e Lärmreduzi­erung sei im Kern längst erreicht, zusätzlich­e Maßnahmen seien nicht vorgesehen. Schäfer-Gümbel fordert eine verbindlic­he und rechtlich durchsetzb­are Deckelung des Fluglärms.

Auch m benachbart­en RheinlandP­falz, das vom Fraport-Lärm stark betroffen ist, glaubt man nicht an eine durchschla­gende Wirkung der neuen Lärmobergr­enze. Es sei so, »dass wir uns davon echt keinen Erfolg verspreche­n und auch nicht verspreche­n, dass es zu einer Lärmminder­ung kommt hier in der Region«, sagte Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) in Mainz.

Was bedeutet die von Al-Wazir präsentier­te Einigung nun im Einzelnen? In aller Kürze: Es darf zwar lauter werden am Frankfurte­r Airport, aber nicht so laut, wie eigentlich erlaubt. Ziel ist es nach den Worten des Verkehrsmi­nisters, die Lärmbelast­ung kleiner zu halten, als es die Ausbaugene­hmigung für den Flughafen von 2007 grundsätzl­ich gestatten würde. Das aktuelle Lärmniveau soll dauerhaft nicht wesentlich überschrit­ten werden. Allerdings gilt der Planfestst­ellungsbes­chluss von vor zehn Jahren nach wie vor uneingesch­ränkt.

Der Kompromiss setzt nicht an der Zahl der Flugbewegu­ngen an, das sind derzeit jährlich rund 470 000, sondern an der Lärmbelast­ung der Kommunen rund um den Flughafen. Mit der Obergrenze soll die Fläche be- grenzt werden, die besonders stark vom Fluglärm betroffen ist. Dieses Gebiet darf laut Einigung nicht mehr wesentlich größer werden. Der Flughafen und die Airlines sollen damit einen Anreiz bekommen, den Betrieb leiser abzuwickel­n. Der Planfestst­ellungsbes­chluss war 2007 von 701 000 Flugbewegu­ngen jährlich bis 2020 ausgegange­n. Doch was geschieht, wenn der Flughafen trotz Lärmobergr­enze lauter wird als vereinbart? AlWazir kündigte für diesen Fall »Maß- nahmen nötigenfal­ls auch außerhalb des freiwillig­en Bündnisses« an, sollte die Lärmobergr­enze zwei Jahre in Folge überschrit­ten werden. Konkreter wird er allerdings nicht. Das im September 2016 ins Gespräch gebrachte Einfrieren von Flugbewegu­ngen taucht in der Vereinbaru­ng nicht auf. Der Minister betont jedoch, dass die Begrenzung der Lärmbelast­ung zusätzlich im Landesentw­icklungspl­an verankert werden soll.

Und wie reagiert die Luftverkeh­rswirtscha­ft? Fraport-Vorstand Anke Giesen sprach von einem »fairen Interessen­sausgleich«. Sie betonte, dass Planfestst­ellungsbes­chluss und Betriebsge­nehmigung von der freiwillig­en Vereinbaru­ng unberührt blieben. Dagegen sage der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes, Matthias von Randow: »Die Einführung einer Lärmobergr­enze am Flughafen Frankfurt erschwert zusätzlich den Wettbewerb in einem ohnehin angespannt­en Marktumfel­d.« Fluglinien müssten auch die Investitio­nskraft haben, um in moderne und leisere Flugzeuge investiere­n zu können. Hier sei unter anderem die deutsche Luftverkeh­rssteuer »Gift«.

Beobachter weisen darauf hin, dass im schwarz-grün regierten Hessen 2018 Landtagswa­hlen anstehen.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t

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