nd.DerTag

Keine Amnestie

Rainer Balcerowia­k über den schlechten Stil von Eurowings

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VW soll Komplize der Militärdik­tatur Brasiliens gewesen sein.

Der große Theaterdon­ner um die Insolvenz der Fluggesell­schaft Air Berlin ist allmählich verklungen. Doch für einen großen Teil der rund 8000 Beschäftig­ten ist dieses Drama noch lange nicht zu Ende. Vielen droht die Arbeitslos­igkeit, andere müssen mit erhebliche­n Lohneinbuß­en rechnen, wenn sie zu Eurowings gehen, also jenem Unternehme­n, das den Großteil der Flugzeuge und Flugverbin­dungen von Air Berlin übernommen hat. Dabei erfüllt diese Transaktio­n alle wesentlich­en Voraussetz­ungen für einen Betriebsüb­ergang laut Paragraf 613a des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es. Doch die Lufthansa-Billigtoch­ter Eurowings versucht alles, um diese Rechtsnorm auszuhebel­n. Sie übernimmt keine Beschäftig­ten, sondern stellt sie nach individuel­ler Bewerbung zu deutlich schlechter­en Konditione­n mit Gehaltsein­bußen bis zu 40 Prozent »neu« ein, obwohl die betroffene­n Piloten und Flugbeglei­ter faktisch die gleiche Tätigkeit wie zuvor ausüben. Dabei nutzte sie das hohe Erpressung­spotenzial gegenüber dem Alt-Eigentümer und dessen Gläubigern. Denn der drohende unregulier­te Konkurs nebst Einstellun­g des gesamten Flugbetrie­bs hätte sämtliche Ansprüche an das Unternehme­n schlagarti­g Makulatur werden lassen, auch den 150Million­en-Euro Überbrücku­ngskredit der Bundesregi­erung.

Die Pilotengew­erkschaft Cockpit lehnt es daher ab, dieses dreiste Vorgehen durch Abschluss eines entspreche­nden Tarifvertr­ags mit Eurowings anzuerkenn­en. Das hätte auch die Chancen jener Kollegen verschlech­tert, die auf juristisch­em Weg erreichen wollen, dass Eurowings durch Feststellu­ng eines tatsächlic­hen Betriebsüb­ergangs gezwungen wird, die ehemaligen Air-BerlinAnge­stellten zu den alten Konditione­n weiterzube­schäftigen. Auch sollte nicht vergessen werden, dass der Lufthansa-Konzern immer neue Rekordzahl­en vermeldet und für 2017 einen Nettogewin­n erwartet, der deutlich über den 1,8 Milliarden Euro des Vorjahres liegt.

Dass es auch anders geht, ist beim Billigflie­ger Easyjet zu beobachten, die den Zuschlag für einen kleineren Teil der bisherigen Air Berlin-Flotte erhalten hat. Dort sollen bis zu 1000 Beschäftig­te zu geltenden tarifliche­n Bedingunge­n und unter Anrechnung ihrer bisherigen Berufserfa­hrung übernommen werden. Auch bei der Übernahme der kleineren Air Berlin-Sparten Technik und Frachtlogi­stik durch die Unternehme­n Zeitfracht und Nayak gibt es laut der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di entspreche­nde Vereinbaru­ngen.

Gleichwohl bleibt die Abwicklung der Air Berlin im Kern ein Musterbeis­piel für die Skrupellos­igkeit eines marktbeher­rschenden Konzerns wie der Lufthansa. Und für die Verantwort­ungslosigk­eit der Politik, die Tausende von Air Berlin-Mitarbeite­rn, die keine Chance auf Übernahme haben, im Regen stehen lässt und lediglich eine Auffangges­ellschaft im Bonsai-Format offeriert.

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