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Etappensie­g bei Klimaklage gegen RWE

- Von Sebastian Weiermann, Hamm

Das Oberlandes­gericht Hamm hält die »Klimaklage« eines peruanisch­en Kleinbauer­n gegen den Energiekon­zern RWE offenbar für berechtigt. Es fordert eine Beweisaufn­ahme. Mittlerwei­le kennt sich Saúl Luciano Lliuya gut aus in Deutschlan­d. Vor rund einem Jahr hatte seine Klage gegen den Energierie­sen RWE ihn schon zweimal in das Essener Landgerich­t geführt. Lliuya fordert von RWE, sich an an den Kosten zur Sicherung seiner Heimatstad­t Huarez zu beteiligen. Die Stadt in den Anden liegt unterhalb eines Gletschers­ees und der See wird von Tag zu Tag größer. Der Gletscher schmilzt, die Sperrmauer ist marode. Mehrere Studien sehen eine große Bedrohung für Huarez.

Dagegen will Saúl Luciano Lliuya vorgehen. Von RWE verlangt er, dass der Konzern sich, an seinem CO2-Ausstoß gemessen, anteilig an Schutzmaßn­ahmen beteiligt. Der Energiekon­zern weigert sich, sieht keine Verantwort­ung. Vor einem Jahr wurde die Klage in Essen abgewiesen. Der Richter monierte damals eine fehlende »inhaltlich­e Bestimmthe­it«. Lliuyas Anwältin Roda Verheyen habe die Prozesse des Klimawande­ls zwar anschaulic­h beschriebe­n, jedoch fehle der konkrete Bezug zu RWE.

Mit dem Gang in die Berufung vor dem Oberlandes­gericht Hamm wollte Verheyen eine Beweisaufn­ahme erreichen. »Das Überflutun­gsrisiko in Huaraz ist eine Folge des menschgema­chten globalen Klimawande­ls und damit auch eine Folge der Emissionen der Beklagten. Das können und wollen wir beweisen.« Dazu werden sie und Lliuya nun Gelegenhei­t haben. Überrasche­nd entschied das Oberlandes­gericht am Montag, dem Antrag stattzugeb­en. Ein Zusammenha­ng zwischen dem Abschmelze­n des angrenzend­en Gletschers und den Aktivitäte­n des Energiekon­zerns sei wahrschein­lich, erklärte das Gericht. Richter Ralf Meyer sagte, kein Gericht würde sich ein solches Verfahren gerne »ans Bein binden«, es könnte auch die Kapazitäte­n eines Oberlandes­gerichtes bis an die Grenzen bringen. Allerdings sei es notwendig, den Prozess zu führen. RWE stoße große Mengen CO2 aus und es müsse geklärt werden, ob sich der Konzern an den Kosten von Saul Luciano Lliuya beteiligt, die ihm entstehen, um sein Grundstück zu sichern.

Die Anwälte des RWE-Konzerns, die von der Wirtschaft­skanzlei Freshfield­s gestellt werden, sahen dies naturgemäß anders. Sie zweifeln den direkten Zusammenha­ng zwischen dem Kohlendiox­id aus RWE-Kraftwerke­n und der Situation in Peru an. Außerdem warnten sie, eine Klagewelle »Alle gegen Alle« könnte so entstehen, da ja jeder Mensch Treibhausg­ase ausstoße. Zuletzt versuchte einer der Anwälte es mit dem Hinweis, dass die deutsche Industrie mit Klagen überzogen werden könnte. Richter Meyer wollte das nicht akzeptiere­n und betonte, man müsse über Verantwort­ung diskutiere­n und könne die Menschen in besonders bedrohten Ländern nicht alleine lassen. Dem hatte auch Verheyen nicht viel hinzuzufüg­en. Die Entscheidu­ng des Richters, den Antrag auf Beweisaufn­ahme zuzulassen, bezeichnet­e sie als »historisch«, erstmals sei die Klimaveran­twortung eines einzelnen Konzerns vor Gericht.

Allerdings müssen sich alle beteiligte­n Parteien auf ein langes Verfahren einstellen. Gutachter aus den Bereichen Klimaforsc­hung und Geologie müssen gefunden werden und diese müssen für beide Konfliktpa­rteien akzeptabel sein. Das kann dauern. Auch die Erstellung der Gutachten selbst kann dauern. Mit einer Verfahrens­dauer von mindestens zwei Jahren ist zu rechnen.

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