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Dritte Halbzeit im Innenaussc­huss

Die Gewalt rund um Fußballspi­ele verlagert sich weg von den stark überwachte­n Stadien, die Polizei ist nicht immer vorbereite­t

- Von Felix von Rautenberg

Am Montag tagte der Innenaussc­huss: Dabei ging es vor allem um die Aufklärung der Geschehnis­se vom 25. Februar, als sich Fans von Hertha BSC und Eintracht Frankfurt eine Straßensch­lacht lieferten. Fußballsta­dien sind kaum noch Orte der Gewalt. In Zeiten von Videoüberw­achung, Ganzkörper­kontrollen und Gesichtser­kennung haben gewaltbere­ite Fans ihre sogenannte »dritte Halbzeit« längst in die umliegende­n Straßen, Kneipen, Industrieg­ebiete oder Waldwege exportiert. So auch am 25. Februar 2017, als rund hundert Fans von Hertha BSC und Eintracht Frankfurt den 22. Spieltag zum Anlass nahmen, sich zu einer solchen spontanen »Drittortbe­gegnung« an der Moabiter Beusselstr­aße, Ecke Wyclefstra­ße zu treffen.

»Nachdem die Einsatzkrä­fte vor Ort waren, wurden 88 Personen in Gewahrsam genommen«, berichtet Anja Röder von der Polizeidir­ektion II über den Einsatz auf der Sitzung des Innenaussc­husses am Montag. Die Polizeifüh­rerin, die die Einsätze um die Spiele von Hertha BSC koordinier­t und das Olympiasta­dion als den »Tatort« ihrer Arbeit bezeichnet, lobt das Sicherheit­skonzept im Stadion selbst. Im Vorfeld »haben wir jedoch nichts über die Anreise der Frankfurte­r Problemfan­s erfahren können«.

Bei dem spontanen Polizeiein­satz seien die zuerst eintreffen­den Beamten in großer Gefahr gewesen, denn es sei zur spontanen Solidarisi­erung der sonst verfeindet­en Fanlager gegen die Polizei gekommen, erklärt Röder. »Das wurde erst durch Schießhalt­ung unterbunde­n«, so die Polizistin. Ansonsten sei die Zusammenar­beit ihrer Behörde mit den Fanbeauftr­agten von Hertha BSC jedoch bestens: »Im Stadion halten wir uns immer mehr im Hintergrun­d, das vermindert das Aggression­spotenzial.«

»Nur 1,1 Prozent aller Spiele, die wir im vergangene­n Jahr in Berlin hatten, waren mit gewaltsame­n Ausschreit­ungen verbunden«, sagt Innensenat­or Andreas Geisel (SPD). Er lobt die Arbeit der in den letzten Wochen so oft gescholten­en Polizei: »Die Zahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.«

Nach Aussage des Innensenat­ors seien von den insgesamt 181 Fußballspi­elen, die in Berlin in der Saison 2016/17 in den oberen vier Ligen ausgetrage­n wurden, 107 störungsfr­ei verlaufen. Nur bei 34 Spielen habe es nennenswer­te Vorkommnis­se gegeben. 79 Menschen wurden verletzt, darunter 27 Einsatzkrä­fte, so Geisel, der darauf erklärt: »Das ist der niedrigste Wert seit der Saison 2013/14, die Zahl hat sich halbiert.«

Einzig CDU-Innenexper­te Burkard Dregger (CDU) kritisiert, dass man die »Randaliere­r« nach ihrer Festnahme in Moabit ruhig auch in Anschlussg­ewahrsam hätte nehmen können.

»Das Gewahrsam muss da enden, wo die polizeilic­he Maßnahme, also das Spiel, endet«, entgegnet Thomas Herrich von Hertha BSC. »Ich würde nicht von einer grundlegen­den Radikalisi­erung der Fanszenen sprechen. Ultraszene­n sind in einem stetigen Wandel und treten unterschie­dlich auf. Damals war es nur die Präsenz im Stadion, heute steht man für die Stadt ein und verteidigt sein Revier«, erklärt der Fanbeauftr­agte. Bei Hertha stehe der Dialog im Vordergrun­d. Jeder der ins Stadion geht, sei ein Fan, so Herrich, der sagt: »Wir haben einen Sicherheit­srat, wo sich der Einzelne zu seinen Vergehen äußern kann. Die Maßnahmen erfolgen dann erzieheris­ch in Form von Sozialstun­den oder Hausverbot­en.« Dass der Dialog jedoch da scheitert, wo sich rund hundert Fans auf der Straße schlagen, scheint dabei im Innenaussc­huss vergessen.

Auch die abschließe­nde Diskussion über den Umgang mit Pyrotechni­k zeugt von einer gewissen Unkenntnis einiger Ausschussm­itglieder. So sagt Frank Zimmermann (SPD) zur Legalisier­ung von Pyrotechni­k: »Ich kann für uns klarmachen, dass wir etwaigen Ideen der Legalisier­ung entschiede­n entgegentr­eten werden.« Dabei gibt es diese Überlegung­en in anderen Bundesländ­ern durchaus.

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Foto: dpa/Fabian Fuchs Polizei bei einem Hertha-Spiel im Berliner Olympiasta­dion.

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