nd.DerTag

Vorwürfe und Kritik auf der EKD-Synode

Evangelisc­he Kirche startet Debatte über ihre Zukunft

- Von Corinna Buschow, Bonn

»Zukunft auf gutem Grund«, lautet das Leitwort der Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) bei ihrer derzeitige­n Tagung in Bonn (Nordrhein-Westfalen). Ausgehend von der Entwicklun­g in den vergangene­n Jahrzehnte­n, die geprägt ist von Mitglieder- und Bedeutungs­verlust, berät das Kirchenpar­lament, wie die Kirche zukunftsfe­st gemacht werden kann. Die Diskussion zeichnete sich schon lange ab, das Ende des 500. Reformatio­nsjubiläum­s soll nun der offizielle Startpunkt sein. Es geht um Kommunikat­ion und neue Angebote unter den zwei wesentlich­en Herausford­erungen, denen alle Religionsg­emeinschaf­ten im Westen begegnen: Säkularisi­erung und Pluralisie­rung.

Die Synode hatte dazu für Montag Experten eingeladen, die den Protestant­en in pointierte­n Vorträgen ernüchtern­de Erkenntnis­se zumuteten. Ihre gemeinsame Botschaft: Es muss tiefgreife­nde Veränderun­gen geben, denn der Grund, auf dem die Kirche steht, ist nicht nur gut, er ist vor allem wackelig.

Die Kirche sei längst nicht mehr »Herrin ihres Schicksals«, sagte der Religionss­oziologe Detlef Pollack aus Münster. Kirchenaus­tritte würden stärker von der wirtschaft­lichen Konjunktur – und damit der Höhe der individuel­len Kirchenste­uer – und vom Wertewande­l beeinfluss­t als von der Qualität der Gottesdien­ste, sagte er. Mission, das Werben um neue Mitglieder, hält er sogar für verschwend­ete Anstrengun­g. Es möge theologisc­h geboten sein, sagte der Münsterane­r Professor. Angesichts dessen, dass Kirchenein­tritte jährlich nur 0,2 Prozent des Mitglieder­bestands ausmachen, sei es aber »effektiver, sich um diejenigen zu kümmern, die in der Kirche sind« – um die fragile Verbindung zu vielen nicht abreißen zu lassen.

Noch deutlicher wurde die Journalist­in Christine Florin. Die Kirchen ruhten sich darauf aus, dass noch Geld da ist, Spitzenpol­itiker kommen und die öffentlich­rechtliche­n Sender berichtete­n. »Die Reste der Volkskirch­e tun sich mit den Resten der Volksparte­ien zusammen, das macht immer noch etwas her«, sagte sie. Diese »Selbstgenü­gsamkeit« erstaune sie.

So wie der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich BedfordStr­ohm, am Sonntag dafür warb, kirchliche Positionen besser zu vermitteln, wurde auch hier eine Parallele zur Entwicklun­g in der gesamten Gesellscha­ft deutlich: Bindungen an große Institutio­nen sind nicht mehr selbstvers­tändlich. Zudem heißt Pluralisie­rung auch Verschiede­nheit im Inneren. Florin formuliert­e es so: »Die Pole der Polarisier­ung heißen nicht mehr katholisch und evangelisc­h, sondern autoritär oder liberal. Sehnsucht nach klarer Ansage kollidiert mit Pluralismu­sfähigkeit.«

Auch in großen Institutio­nen werden die Ränder stärker, entfernen sich, der Kern in der Mitte wird kleiner. Innere Pluralität brauche Akzeptanz bis an die Grenze, beschrieb die Vizepräses der Synode, Elke König, diese Herausford­erung.

Wie sich die Kirche dem stellt, ist derzeit offen. Das in Bonn tagende Kirchenpar­lament mit seinen 120 Mitglieder­n will bis zum Ende seiner Beratungen am Mittwoch einen schriftlic­h festgehalt­enen Denkanstoß liefern. Dann soll die Diskussion in den Landeskirc­hen bis hin zur einzelnen Gemeinde weitergehe­n. Einen Zeitplan gibt es nicht.

Mögliche konkrete Veränderun­gen klangen in der Diskussion jedoch nur an. Die Debatten der Synode zeigt aber, dass es um mehr geht als kosmetisch­e Veränderun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany