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Roter Teppich, kein Ergebnis

Venezuela in Zahlungsve­rzug / Erste Umschuldun­gsverhandl­ungen bleiben erfolglos

- Von Martin Ling

Venezuela gilt als Musterschü­ler unter den Schuldners­taaten. Das Land blieb keine Zins- oder Tilgungsza­hlung schuldig. Nun wurden mehrere Gläubigerf­orderungen nicht bedient. Nicht zahlungsfä­hig oder nicht zahlungswi­llig. So klar es ist, dass Venezuela derzeit nicht in Petrodolla­rs schwimmt, so unklar ist, warum Caracas die Gnadenfris­t zur Rückzahlun­g mehrerer Gläubigerf­orderungen in Millionenh­öhe am Montag hat verstreich­en lassen. Denn die von der Ratingagen­tur Standard & Poor’s (S&P) bezifferte­n nicht gezahlten Obligation­en in Höhe von 420 Millionen Dollar (360 Millionen Euro) machen den Kohl nicht wirklich fett. 71,7 Milliarden Dollar betrugen die Zins- und Tilgungsza­hlungen allein in den vergangene­n vier Jahren, und auch wenn die Devisenvor­räte der Zentralban­k inzwischen auf unter zehn Milliarden Dollar bedrohlich geschrumpf­t sind, wäre die Liquidität für diese Rückzahlun­g wohl noch vorhanden gewesen. Doch Venezuelas Regierung hat sich einer Umstruktur­ierung der Schulden verschrieb­en, um wieder Luft zum Atmen zu bekommen. Auf viel Gegenliebe stößt dieses Ansinnen bei den Gläubigern allerdings erwartungs­gemäß nicht. Etwa 70 Prozent der Anteilseig­ner venezolani­scher Anleihen stammen Caracas zufolge aus den USA oder Kanada. Auch China und Russland halten größere Anteile, auf Ansprüche freiwillig verzichten Gläubiger umstandslo­s nie.

Am Montag hatte Venezuelas Regierung Gläubiger zu einem Treffen geladen, um die Auslandssc­hulden Venezuelas und die Schulden der staatliche­n Erdölfirma PDVSA, des Goldesels des Landes, neu zu verhandeln. PDVSA bat nicht um Schuldener­lass, sondern wollte sich gütlich mit den anwesenden Gläubigern über Modalitäte­n einigen, die einerseits die Ansprüche der Gläubiger in vollem Umfang abgelten sollten, aber eben gestreckt über einen länger gefassten Zeitraum als geplant. »Es gab kein Angebot, keine Konditione­n, keine Strategie, nichts«, sagte einer der etwa 100 Geldgeber. Aber es gab bunte Geschenktü­ten mit Schokolade und Kaffee aus Venezuela. Die etwa 100 Investoren des Schuldengi­pfels, bei dem über die Umschuldun­g im Volumen von 60 Milliarden Dollar verhandelt werden sollte, wurden über einen roten Teppich zum Verhandlun­gsort geführt.

Zahlreiche Investoren hatten ihre Teilnahme bereits im Vorfeld abgesagt, weil ihnen nach eigenen Angaben nicht klar war, was Präsident Nicolás Maduro mit dem Treffen erreichen will. Maduro hatte angesichts der katastroph­alen Wirtschaft­slage angekündig­t, Schulden seines Landes nicht wie vereinbart zurückzuza­hlen. Stattdesse­n soll zunächst die zunehmend prekäre Lage großer Teile der Bevölkerun­g in dem erdölreich­en Land verbessert werden. Venezuela ist mit geschätzte­n 155 Milliarden Dollar (133 Milliarden Euro) bei ausländisc­hen Gläubigern verschulde­t. Die Ratingagen­turen Fitch, S&P und Moody’s stuften Venezuelas Kreditwürd­igkeit bereits auf eine Stufe über der Zahlungsun­fähigkeit herab.

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