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Kampf um jedes Komma

Vattenfall scheitert mit Eilantrag gegen Stromnetzv­ergabe

- Von Tim Zülch

Beim Prozess versuchte Vattenfall das Bewerbungs­verfahren für das Stromnetz Berlins auseinande­r zu nehmen. Das gelang nur zum kleinen Teil.

Im Streit um die Konzession zum Betrieb des Stromnetze­s Berlins kam es am Dienstag vor dem Landgerich­t Berlin zu einem weiteren mühseligen Schritt. Vattenfall hatte zu Beginn des Jahres eine Klage gegen das Bewerbungs­verfahren eingereich­t. Dieses sei nicht transparen­t und diskrimini­ere bestimmte Anbieter, so der schwedisch­e Stromkonze­rn. Bereits 2014 war die ursprüngli­che Konzession der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin GmbH ausgelaufe­n. Seitdem herrscht Streit, wer zukünftig das Netz betreiben darf. Bis zur endgültige­n juristisch­en Klärung bleibt es auf jeden Fall in der Hand der Schweden.

Dass die rot-rot-grüne Koalition eine Rekommunal­isierung der Infrastruk­tur – wie Fernwärme, Gas und eben Strom – als zentrales energiepol­itisches Anliegen sieht, und mit dem landeseige­nen Betrieb Berlin Energie einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt, stößt schon länger auf Widerstand von Vattenfall. Momentan sind drei Bewerber im Verfahren: Vattenfall, Berlin Energie sowie die genossensc­haftliche BürgerEner­gie Berlin.

Ein Rollwagen mit einem knappen Dutzend Aktenordne­r wird in den Gerichtssa­al E208 geschoben. Die Verhandlun­g ist gut besucht. Vattenfall betont, dass es entscheide­nd sei, bereits bei der Bewerbung zu wissen, wie einzelne abgefragte Punkte des Vergabever­fahrens bewertet werden. Nur so sei Transparen­z zu gewährleis­ten. Außerdem sieht Vattenfall die Gefahr, dass ein ungeeignet­er Bewerber durch Fehler in der Ausschreib­ung eine Konzession erhalten könne. »Ein landeseige­ner Betrieb kann doch alles zusagen«, so der Anwalt von Vattenfall und verstieg sich in Behauptung­en, dass man, wenn man schlechten Kundenserv­ice biete, das aber vertraglic­h zusage, gute Chancen bei der Bewerbung habe.

»Völlig abstruse Fälle«, betonte die Vertreteri­n des Senats. Zum einen sei ihr solch ein Fall noch nie untergekom­men, zum anderen sei ein wichtiges Kriterium der Entscheidu­ng natürlich, ob ein Bewerber geeignet ist, das Stromnetz Berlins zu betreiben. Sie verstehe nicht, warum Vattenfall so tue, als verstehe das Unternehme­n die Kriterien nicht. An den Bewerbungs­unterlagen, die vorliegen, sehe man doch, dass Vattenfall gut verstanden habe, worum es uns geht.

Mit dieser zweigleisi­gen Strategie möchte Vattenfall offensicht­lich mit allen Mitteln versuchen das Bewerbungs­verfahren zu torpediere­n und das Stromnetz so lange wie möglich weiter zu betreiben. Denn das ist durchaus lukrativ, es erzielte 2016 einen Umsatz von 958 Millionen Euro bei einem Jahresüber­schuss von 89 Millionen Euro. Allerdings wurde im gleichen Jahr mit 185 Millionen Euro auch massiv in das Netz investiert. Es ist also wahrschein­lich, dass Vattenfall mit den gerichtlic­hen Schritten Zeit gewinnen will, um es so lang wie möglich weiter betreiben zu können.

Die diversen Rechtsstre­itigkeiten kommen das Land Berlin teuer zu stehen. So seien mittlerwei­le für Rechtsbera­tung, anwaltlich­e Vertretung und Prozesskos­ten von knapp 10 Millionen Euro aufgelaufe­n, teilte der Senat im August auf eine parlamenta­rische Anfrage mit. Auch um den betrieb von Gas- und der Fernwärmen­etz wird vor Gericht gestritten.

In diesem Prozess kassierte Vattenfall eine Niederlage. Nach Auffassung des Gerichts gewährleis­ten diese Kriterien jedoch in erforderli­chem Umfang, den Besten auszuwähle­n.

»Es muss keinen Algorithmu­s geben nach dem Motto: Oben Angebot rein, unten kommt die Entscheidu­ng raus«, allerdings sei es durchaus wichtig schwerwieg­ende Fehler im Verfahren auszumerze­n, so der Vorsitzend­e Richter Peter Scholz. Das Land habe einen weiten Ermessenss­pielraum - auch wenn es sich selbst an dem Verfahren beteilige.

Doch der juristisch­e Streit wird wohl weitergehe­n. Die Bewerber wurden nun vom Senat gebeten, ihre Angebote bis Mitte 2019 für verbindlic­h zu erklären.

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Foto: imago/Jürgen Heinrich Trotz Niederlage vor Gericht hat Vattenfall weiterhin die Hand auf dem Stromnetz der Hauptstadt.

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