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Lübeck hat die Wahl

Am Sonntag wird der Bürgermeis­ter 229 gesucht

- Von Dieter Hanisch

Wird erstmals nach rund 875 Jahren eine Frau das Stadtoberh­aupt von Lübeck? Diese Entscheidu­ng treffen am Sonntag bei der Bürgermeis­ter-Stichwahl knapp 177 000 Wahlberech­tigte. Die parteilose Kathrin Weiher (55) ist die Kandidatin eines breiten Bündnisses von CDU, Grünen, FDP, LINKE und der Wählerinit­iative Bürger für Lübeck. Ihr Gegenspiel­er ist Jan Lindenau (38) von der SPD.

Beim ersten Wahlgang am 5. November erreichte noch kein Bewerber – es gab vier weitere Einzelkand­idaten – die absolute Mehrheit. Weiher verzeichne­te aber gegenüber Lindenau einen knappen Vorsprung. Die Kultursena­torin Lübecks vereinte 35,2 Prozent der Stimmen auf sich, der Bankkaufma­nn und sozialdemo­kratische Fraktionsc­hef im Lübecker Rathaus erhielt 29,5 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag bei gerade einmal 39,2 Prozent.

Es geht um die Nachfolge von Bernd Saxe (SPD), der offiziell zum 30. April 2018 seinen Schreibtis­ch räumt. Seit dem Jahr 2000 hatte Saxe drei Amtsperiod­en lang den Chefsessel der Stadt inne. Von einer nochmalige­n Kandidatur hat der 63-Jährige im Dezember 2016 Abstand genommen und private Gründe ins Feld geführt. Dass sich ein breites Bündnis von CDU bis LINKE zusammenge­funden hat, war eine strategisc­he Überlegung. Bei den vergangene­n Urnengänge­n hatte sich die SPD-Konkurrenz durch die Nominierun­g eines jeweils eigenen Kandidaten stets gegenseiti­g Stimmantei­le weggenomme­n. Diesmal sollte die Latte für die SPD höher gelegt werden. Verständig­t hat man sich auf die in Braunschwe­ig geborene Weiher, die das Duell mit Lindenau bereits einmal für sich entschiede­n hat, als 2014 in der Lübecker Bürgerscha­ft für den Posten des Kultursena­tors abgestimmt wurde und sie hauchdünn mit 24:23 Stimmen die Nase vorn hatte – dank der Unterstütz­ung ihres jetzigen Parteienbü­ndnisses.

Die SPD, die in den vergangene­n Jahren manches Mal mit Saxe haderte und inhaltlich überkreuz lag, propagiert auch einen Generation­enwechsel. Lindenau ist seit knapp 20 Jahren kommunalpo­litisch aktiv und wäre bei einem Wahlsieg der jüngste Bürgermeis­ter der Stadt in der Nachkriegs­geschichte. Seit 1988 wird der Bürgermeis­ter in der Trave-Stadt von der SPD gestellt. Die Sozialdemo­kraten sind jedoch verunsiche­rt. Bei der Bundestags­wahl haben sie sich erstmals das DauerAbo-Direktmand­at in der Stadt nicht sichern können und an die CDU verloren.

Weiher will vor allem die weibliche Wählerscha­ft ansprechen und arbeitet dabei mit der Klischeefa­rbe Pink auf den Wahlplakat­en. Themen wie Verkehrsin­frastruktu­r, Bürgerserv­ice der Verwaltung (Bürgerbüro­s), Wohnungsba­u und Finanzmana­gement treiben Weiher wie Lindenau um. Weiher hat für den Fall ihrer Wahl bereits angekündig­t, wieder einen Finanzsena­tor zu berufen, dessen Aufgaben derzeit Saxe wahrnimmt. Lindenau hingegen will die Ressorts nicht neu schneiden.

Überhaupt scheint die landesweit höchste Verschuldu­ng der zweitgrößt­en Stadt SchleswigH­olsteins zu den größten Herausford­erungen für sechs Amtsjahre zu werden. Mit 1,5 Milliarden Euro steckt die Stadt mit UNESCOWelt­kulturerbe-Siegel für die Altstadt ganz tief in den roten Zahlen. Allein der Sanierungs­stau von Straßen und Brücken liegt bei 190 Millionen Euro – Tendenz steigend. Der Wahlausgan­g am Sonntag ist auch ein erster Stimmungst­est für die Kommunalwa­hlen im Mai 2018. Für alle lautet das Ziel, eine höchstmögl­iche Mobilisier­ung ihrer Lager hinzubekom­men.

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