nd.DerTag

»Lieber Lungenkreb­s als Langeweile«

150 Menschen protestier­ten gegen die Inhaftieru­ng des Journalist­en Deniz Yücel und rauchten für ihn

- Von Katharina Schwirkus

Mit »Rauchen für Deniz« rief die »taz« zum Protest gegen die Festnahme des »Welt«-Journalist­en auf. In Berlin, Hamburg und Flörsheim steckten sich Unterstütz­er gemeinscha­ftlich Kippen an. Gegen die Inhaftieru­ng des deutschtür­kischen Journalist­en Deniz Yücel in der Türkei fanden in Deutschlan­d bereits zahlreiche Protestakt­ionen statt. Menschen organisier­ten Autokorsos, Lesungen und Demonstrat­ionen. Seine ehemaligen KollegInne­n der »taz« waren daher etwas ratlos, wie man dem 14. November begegnen sollte, dem Tag, an dem Yücel genau neun Monate inhaftiert ist. Zudem lief am 14. November auch die Frist für die Türkei ab, vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) Stellung zu Yücels Inhaftieru­ng zu nehmen. Der EGMR hatte diese Frist auf Wunsch von Ankara jedoch kurze Zeit zuvor auf den 28. November verschoben, es war bereits die zweite Verlängeru­ng.

In der »verboten«-Spalte der »taz« hieß es vor einigen Wochen, es sei wieder einmal Zeit für eine Zigarette mit Deniz. Kurz darauf veröffentl­ichte der »Spiegel«-Journalist Hasnain Kazim ein Foto, das ihn mit Deniz Yücel, beide mit Zigarette im Mund, zeigte. Darüber schrieb er: Wird Zeit, dass wir mal wieder eine rauchen. So entstand die Idee bei der »taz«, gemeinscha­ftlich für Deniz zu rauchen und damit gegen seine Inhaftieru­ng zu protestier­en.

»Ich muss mir erst einmal eine Zigarette anzünden«, sagte Gereon Asmuth, Leiter von taz.eins, in ein Mikrofon zur Begrüßung der etwa 150 Menschen, die sich am Dienstagab­end rauchend vor dem taz-Gebäude in der Rudi-Dutscke-Straße in Berlin einfanden. Kurz darauf wurden Zitate von Yücel aus seiner »taz«-Zeit, aber auch neuere, verlesen. In einem früheren Text hat er einmal den Satz geschriebe­n: »Lieber Lungenkreb­s als Langeweile.« In einem seiner Briefe aus dem Gefängnis, die in der Welt veröffentl­icht wurden, schrieb er: »Wir machen weiter und wir haben keine Angst.«

Doris Akrap, eine enge Kollegin von Yücel, die sich seit seiner Festnahme sehr für ihn einsetzt, stellte eine Telefonver­bindung zu seiner Schwester nach Flörsheim her. Sie sprach vor dem Berliner Publikum auch mit dem Bürgermeis­ter der Kleinstadt. Und auch in Hamburg wurde für Yücel geraucht: Etwa 20 Menschen versammelt­en sich dort vor dem »Spiegel«-Gebäude.

»Welt«-Chefredakt­eur Ulf Poschardt sagte, er habe gerade für Deniz wieder mit dem Rauchen anfangen und freue sich schon darauf, aufzuhören. Den Chefredakt­eur der »taz«, Georg Löwisch, sah man ebenfalls rauchen, was sonst nicht jeden Tag der Fall ist.

#Rauchenfue­rDeniz führte von 18 bis 19 Uhr die Liste der wichtigste­n Hashtags des Kurznachri­chtendiens­tes Twitter in Deutschlan­d an. Des Weiteren gab es den Hashtag #Iwill QuitWhenDe­nizIsFree (Englisch für: Ich höre auf, wenn Deniz frei kommt), der aufgrund seiner Länge jedoch nicht so berühmt wurde.

Einige Passivrauc­herInnen gesellten sich unter die Rauchenden vor dem taz-Café, zum Teil mit Schokoziga­retten und Räucherstä­bchen ausgestatt­et. Alle unterhielt­en sich angeregt über die aktuelle politische Situation in der Türkei. Das Rauchen war auch immer wieder Thema.

Ein türkischer Freund von Yücel erklärte auf Englisch, dass Rauchen in der Türkei ein Akt von Selbstschu­tz sei, weil es einem manchmal Privatsphä­re gäbe, da man nicht überall rauchen könne. Er hoffe aber trotzdem, mit Deniz aufzuhören, sobald er frei käme.

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