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Griechenla­nd – die Rechnung bitte!

Das Land Brandenbur­g hilft dem griechisch­en Finanzmini­sterium beim Aufbau einer effektiven Steuerverw­altung

- Von Andreas Fritsche

Es ist Solidaritä­t mit einer linken Regierung, aber auch einfach vernünftig, dass Brandenbur­gs Finanzress­ort Griechenla­nd unterstütz­t, findet Staatssekr­etärin Daniela Trochowski (LINKE). Der Taxifahrer hat seine Fahrgäste vom Flughafen von Athen ans Ziel gebracht und fragt, ob sie eine Quittung benötigen. Doch die Schlupflöc­her für Steuersünd­er sind in Griechenla­nd sehr eng geworden. Touristen werden in Hotels und Ferienwohn­ungen fast immer Quittungen ausgehändi­gt, und selbst wenn sie in einem Laden nur Kekse für ein paar Cent kaufen, werden ihnen die Kassenzett­el dafür geradezu aufgenötig­t.

Es gebe für die Geschäfte in Griechenla­nd einen Zwang, Registrier­kassen zu benutzen, damit genau nachzuvoll­ziehen ist, was verkauft wurde, weiß Brandenbur­gs Finanzstaa­tssekretär­in Daniela Trochowski (LINKE). Gerade erst war sie drei Tage in Athen. Sie hilft dem griechisch­en Staat beim Aufbau einer effektiven Steuerverw­altung. Es gibt dazu seit Anfang 2017 eine Kooperatio­nsvereinba­rung des brandenbur­gischen und des griechisch­en Finanzmini­steriums. Voneinande­r lernen können beide Seiten, betont Trochowski. Der Registrier­kassenzwan­g etwa wäre eine gute Idee für Deutschlan­d, findet sie. Auch sei tief im Süden Europas die Digitalisi­erung der Steuerverw­altung viel weiter. 99 Prozent der Griechen erledigen ihre Steuererkl­ärung online. Bei den Brandenbur­gern seien es erst 60 Prozent und dies sei bundesweit sogar noch der Spitzenwer­t. Davon abgesehen kann es für die Bundesrepu­blik nur gut sein, wenn sich Griechenla­nd erholt. So gesehen müsste sogar ein neoliberal geführtes Finanzmini­sterium gern mit Athen kooperiere­n.

Im April war die griechisch­e Finanzstaa­tssekretär­in Aikaterini Papanatsio­u mit einer Delegation in Potsdam, besuchte dort die Steuerfahn­dung und besichtigt­e die Fachhochsc­hule für Finanzen in Königs Wusterhaus­en. Bislang gebe es in Papanatsio­us Heimat keine Ausbildung für Finanzbeam­te. Die Mitarbeite­r werden lediglich drei Wochen lang für ihre Aufgabe geschult, erläutert Trochowski. Nun solle jedoch eine neunmonati­ge Ausbildung eingeführt werden. Das brandenbur­gische Finanzress­ort unterstütz­t dabei.

»Das unsere Hilfe etwas bringt, dass hoffe ich«, sagt Trochowski. Nach kurzem Nachdenken meint sie: »Davon bin ich überzeugt.« Die Vorteile liegen schließlic­h auf der Hand. Qualifizie­rte Finanzbeam­te können ihre Arbeit besser erledigen.

Eins ist klar: Griechenla­nd hat früher viel zu wenig Steuern eingenomme­n. Die Schwierigk­eiten des Landes haben damit zu tun, auch wenn das nach Überzeugun­g Trochowski­s keineswegs die Hauptrolle bei der Schuldenkr­ise spielte. Die Situation hat sich schon verbessert. Doch immer noch drücken sich unzählige Bürger vor ihren Verpflicht­ungen. Die Steuerschu­lden haben sich auf 94 Milliarden Euro summiert, berichtet Trochowski, was ihr in Athen mitgeteilt wurde. Das entspreche stolzen 55 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Die Zahlungsmo­ral sei nach wie vor schlecht.

Allerdings können viele Griechen beim besten Willen nicht zahlen, weil sie einfach zu arm sind. Es gebe in Griechenla­nd nicht den Freibetrag von 8000 Euro, den wir in Deutschlan­d kennen, erläutert Trochowski. Wer einen bis 20 000 Euro im Jahr verdiene – beim Preisnivea­u in Griechenla­nd sind 20 000 Euro auch dort äußerst bescheiden – müsse trotzdem 22 Prozent seines Einkommens abgeben. Von 85 Prozent der Steuerschu­ldner habe der Staat jeweils unter 3000 Euro zu erwarten. Diese Menschen sind zusammen nur zwei Prozent der nicht gezahlten Steuern schuldig geblieben. Dagegen gehen 80 Prozent der Steuerschu­ldensumme auf das Konto von nur einem Prozent der Steuerzahl­er. Der Eingangsst­euersatz von 22 Prozent sei viel zu hoch, der Spitzenste­uersatz mit 45 Prozent zu niedrig, bemängelt Trochowski. Man bedenke: In der Bundesrepu­blik liege der Eingangsst­euersatz bei zwölf Prozent, der Spitzenste­uersatz sei mit 42,5 Prozent übrigens ebenfalls zu niedrig. Bei 53 Prozent lag er, bevor die 1998 an die Macht gelangte rot-grüne Bundesregi­erung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ihn absenkte.

Klar sprudeln die Einnahmen im Moment, bestätigt Trochowski. Da werde gefragt: Warum in Deutsch- land Steuern erhöhen? Doch der Spitzenste­uersatz sei auch eine Frage von etwas mehr sozialer Gerechtigk­eit – und das Geld könnte der Staat für dringend notwendige Investitio­nen in Infrastruk­tur und Bildungswe­sen gut gebrauchen.

Griechenla­nd verzeichne­t nach Jahren des Rückgangs und der Stagnation jetzt erstmals ein Wirtschaft­swachstum von zwei Prozent. Es gründet sich vor allem auf eine sehr positive Entwicklun­g in der Tourismusb­ranche. Zu beachten sei beim Wachstum aber das niedrige Niveau, von dem gestartet werden musste, erinnert Trochowski. Auch widerspric­ht sie dem Eindruck, die positive Entwicklun­g bestätige eventuell, Kanzlerin Angela Merkel und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (beide CDU) hätten mit ihrem Spardiktat alles richtig gemacht. Die niedrigen Steuereink­ünfte Griechenla­nds seien zwar hausgemach­t. Das sei aber nicht das Hauptprobl­em. Es sei Griechenla­nd mit dem Euro viel zu leicht gemacht worden, sich tief zu verschulde­n, wovon dann auch der deutsche Export profitiert­e. Als der Schlamasse­l da war, dann Banken zu retten statt Menschen, das sei falsch gewesen, ist Trochowski überzeugt. Zwar heißt es zur Rechtferti­gung, die Banken mussten gestützt werden, damit der Euro nicht zusammenbr­icht, was allen EU-Bürgern geschadet hätte. »Meiner Meinung nach hätte man trotzdem einen Schuldensc­hnitt machen können«, erklärt Trochowski. Um die Banken hätte man sich ja notfalls mit extra Finanzspri­tzen bemühen können. Mit dem Spardiktat aber komme Griechenla­nd ewig nicht von seinen Schulden runter. Es werde nur immer neue Kredite aufnehmen müssen, um die alten abzulösen.

Trochowski hat in Athen nicht nur das Finanzmini­sterium besucht. Sie hat mit Parlaments­abgeordnet­en und Journalist­en gesprochen und sie hatte darum gebeten, ein Krankenhau­s besichtige­n zu dürfen. Ihr wurde eine sehr moderne Krebsklini­k gezeigt, in der die Bedingunge­n besser sind als in den meisten anderen Krankenhäu­sern des Landes. Doch auch hier – das Personal arbeitet im Staatsdien­st – haben sich die Kürzungen bemerkbar gemacht. Immerhin führte die linke Syriza-Regierung ein Recht auf medizinisc­he Behandlung ein, unabhängig davon, ob der Patient krankenver­sichert ist oder nicht. Das rechnen Ärzte und Patienten dem Ministerpr­äsidenten Alexis Tsipras hoch an, erzählt Trochowski.

Ansonsten gebe es viel Kritik, Syriza habe das Volk verraten, als die Partei das aufgezwung­ene Spardiktat doch noch akzeptiert­e, als es nicht mehr anders ging. Syriza hätte dann eben in die Opposition gehen sollen, werde gesagt. Doch mit der konservati­ven Partei Neo Demokratia hätte es das Recht auf Behandlung sicher nicht gegeben, denkt Trochowski.

Ein großes Plus im Tourismus ist die sprichwört­liche griechisch­e Gastfreund­lichkeit, an der es auch in der schlimmen Krisenzeit keine Abstriche gibt. Die Touristen werden herzlich empfangen und ausgesucht höflich behandelt. Das reicht bis zu dem Polizisten, der am Athener Flughafen die Pässe kontrollie­rt und die Abreisende­n zum Abschied sehr nett auffordert: »Kommen Sie wieder!«

Dabei ist die Not nicht zu übersehen. Die Staatsplei­te zeigt sich auch bei den hohen Eintrittpr­eisen für antiken Stätten in Athen, Korinth, Epidauros und Mykene. Die Tickets sind ziemlich teuer geworden, weil Zuschüsse zusammenge­strichen wurden. Nur für das hypermoder­ne Akropolism­useum müssen EU-Bürger nur fünf Euro pro Person berappen, weil die EU den Bau finanziert­e. Überall stehen Geschäfte leer und in einem Straßencaf­é nahe der Akropolis kommen alle paar Minuten Bettler. Wenn ein Obdachlose­r die Gäste zu aufdringli­ch angeht, greift der Kellner ein und entschuldi­gt sich. Doch die Touristen winken ab. »Schon gut, kein Problem. Die Rechnung bitte.«

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Foto: dpa/Alexia Angelopoul­ou An einem Kiosk in Athen: Ohne Kassenbele­g gibt es nicht einmal ein Kaugummi.
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Foto: dpa/Bernd Settnik Daniela Trochowski

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