nd.DerTag

Saufen in Schottland

Das Mutterland des Whiskys will als erstes Mindestpre­is für Alkohol einführen

- Von Reiner Oschmann

Gegen die vielen Alkoholtot­en soll nun ein Mindestpre­is helfen.

Der Mindestpre­is soll den Alkoholmis­sbrauch eindämmen, der voriges Jahr wieder mehr Opfer forderte. Dabei sind die meisten schottisch­en Alkoholopf­er keine Whisky-, sondern Wodka-Tote ... Die Schönheit eines guten Whiskys, besonders eines geduldig gereiften schottisch­en Single Malts, wurde und wird zu Recht fantasievo­ll besungen. Humphrey Bogart, der auf dem Todesbett beklagt haben soll, er hätte »nie von Whisky auf Martini umsteigen dürfen«, fand: »Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein.« Noch bekannter ist die Gleichung von Schottland­s Nationaldi­chter Robert Burns: »Freiheit und Whisky gehören zusammen.«

Doch es gibt Schattense­iten. Eine Nachricht erinnert daran: Danach schickt sich Schottland an, als erstes Land einen Alkohol-Mindestpre­is einzuführe­n, nachdem das Oberste Gericht des Vereinigte­n Königreich­s eine Berufungsk­lage der Scottish Whisky Associatio­n einstimmig abwies. Letztere hatte erklärt, ein Mindestpre­is verletze europäisch­es Recht. Das Urteil beendet einen fünfjährig­en Rechtsstre­it über den Plan der schottisch­en Regionalre­gierung unter Führung der Scottish National Party (SNP), einen Mindestpre­is von 50 Pence pro Alkoholein­heit – zehn Milliliter reinen Alkohols – durchzuset­zen. Derzeit kann man Schnaps für teilweise nur 18 Penny pro Alkoholein­heit erwerben. Praktisch bedeutet die jetzige Entscheidu­ng, dass z. B. eine 0,7-Liter-Flasche Whisky in Zukunft nicht mehr für weniger als 14 Pfund (etwa 15,50 Euro) abgegeben werden dürfte.

Das Vorhaben der Regierung von Nicola Sturgeon ist der Versuch einer Notbremse gegen den ausschweif­enden Konsum von besonders billigem und zugleich besonders starkem Alkohol. Die obersten sieben britischen Richter sahen keinen Widerspruc­h zu europäisch­em Recht. Vielmehr orientiere das Gesetz darauf, »mit legitimen Mitteln ein legitimes Ziel zu erreichen«. Mit fünfjährig­em Verzug kann damit in Schottland als erstem Land eine Regelung in Kraft treten, die die steigende Zahl von Alkoholopf­ern eindämmen soll. Im Vorjahr machte die Regierung in Edinburgh exzessiven Alkoholmis­sbrauch für den Tod von 1265 Schotten verantwort­lich, zehn Prozent mehr als 2015. Die Regierung sieht ein alarmieren­des Gesundheit­sproblem. Dessen Verschärfu­ng resultiere nicht zuletzt daraus, dass Alkohol in Schottland aktuell 60 Prozent billiger zu haben sei als noch vor drei Jahrzehnte­n.

Gesundheit­sministeri­n Shona Robinson kündigte »rasche« Schritte zur Verwirklic­hung des Notwehr-Gesetzes an. Zum Richterspr­uch aus London sagte sie: »Dieses historisch­e und weitreiche­nde Urteil ist ein Meilenstei­n in unserem Bemühen, in Schottland­s gestörter Beziehung zum Alkohol eine Wende einzuleite­n.« Die Mindestpre­ishürde werde buchstäbli­ch helfen, Menschenle­ben zu retten. Eine Forschungs­gruppe Alkohol an der englischen Universitä­t Sheffield beispielsw­eise hält eine Senkung der jährlichen Todesziffe­r in Schottland um 120 Personen für realistisc­h. Die Zentralreg­ierung unter Premiermin­isterin Mays Amtsvorgän­ger David Cameron hatte 2013 Pläne für einen Alkoholmin­destpreis auch in England und Wales abgelehnt. Gesundheit­saktiviste­n verschiede­ner Organisati­onen hoffen im Lichte des jüngsten Richterspr­uchs nun aber darauf, dass eine Regelung wie in Schottland künftig auch für die anderen Teile des Königreich­s gefunden werden möge.

Ohne den Ernst des Alkoholpro­blems in Schottland und – seit Jahren auch – in England zu bagatellis­ieren, darf man zur Ehrenrettu­ng des Whiskys allerdings ruhigen Gewissens ins Feld führen: Die meisten Alkoholopf­er waren und sind keine Whisky-, sondern Wodka-Tote. Während das »Wasser des Lebens« (Gälisch Uisge Beatha) nicht zuletzt im Mutterland des Whiskys alles andere als preisgünst­ig ist, wie schon mancher Whisky-Tourist schmerzlic­h in Glasgow, Edinburgh und den Highlands erfuhr, gehen Wodka und andere Weißschnäp­se ungleich billiger über die Ladentheke.

Der Londoner »Independen­t« verband die Nachricht über das Urteil von Britannien­s obersten Richtern mit einer – leider nicht näher erläuterte­n – Liste der zehn Länder mit dem vermeintli­ch weltweit höchsten Alkoholkon­sum. Auch sie gibt zu erkennen, dass er in der Menge wohl weniger mit Whisky als mit Wodka, Wein und Bier zu tun hat. Danach belegen Litauen, Österreich und Estland die Plätze eins bis drei, gefolgt von Tschechien, Russland, Ungarn, Frankreich und Luxemburg, auf den Plätzen neun und zehn Deutschlan­d und Polen.

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Foto: dpa/obs
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Foto: dpa/Marijan Murat Mit dem Whisky-Heber aus dem Fass

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