nd.DerTag

Langsamer Kulturwand­el

Ines Wallrodt über mehr angezeigte sexuelle Übergriffe bei der Bundeswehr

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Nur wenige sexuelle Übergriffe werden angezeigt. Die Dunkelziff­er ist hoch. Die Gründe dafür sind komplex. Einer ist jedoch, dass Betroffene nicht glauben, dass dieser Schritt etwas bewirkt. Insofern ist es ein Fortschrit­t, wenn sich in der Bundeswehr mehr Betroffene trauen, Vorfälle zu melden oder erneut zu melden, weil sie mit der ersten Reaktion unzufriede­n waren. Das zeigt, dass sich in Sachen Sexismus und sexueller Gewalt etwas zum Positiven verändert. Das ist der Verdienst einer Verteidigu­ngsministe­rin, die das Problem ernst nimmt und öffentlich anprangert. Es ist aber auch der Ertrag einer neuen gesellscha­ftlichen Sensibilit­ät, durch die das Thema aus der Verdrängun­g geholt wurde. Sexuelle Übergriffe gelten immer weniger als Kavaliersd­elikte. Dies stärkt die Opfer, es sind vor allem Frauen. Ob sie am Ende wirklich zu ihrem Recht kommen, steht auf einem anderen Blatt.

Am Grundübel ändert auch eine erhöhte Anzeigeber­eitschaft nichts: Sexuelle Übergriffe sind alltäglich. In der Gesellscha­ft insgesamt, also auch in der Bundeswehr – zugleich aber besonders in der Bundeswehr, die als Institutio­n sexuelle Übergriffe befördert. Durch strenge Hierarchie­n, Kasernieru­ng und traditione­lle Männlichke­itsbilder und ein »Berufsprof­il«, in dem Gewalt als Machtdemon­stration normal ist.

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