nd.DerTag

Babis auf Partnersuc­he

Dem tschechisc­hen Wahlsieger bleibt wohl nur ein Minderheit­skabinett

- Von Jindra Kolar, Prag

Eine Regierung des Milliardär­s und Chefs der Bewegung ANO, Andrej Babis, könnte längst stehen. Er selbst müsste nur auf die Funktion des tschechisc­hen Ministerpr­äsidenten verzichten. So jedenfalls sieht es der Vorsitzend­e der Bewegung STAN (Bürgermeis­ter und Unabhängig­e), Jan Farsky. So könnte eine Regierung mit dem ANO-Spitzenpol­itiker Martin Stropnicky an der Spitze durchaus eine parlamenta­rische Mehrheit finden. Davon allerdings wollen Babiš und sein präsidiale­r Gönner Milos Zeman nichts wissen. Der Pakt zwischen den beiden sieht vor, dass der Agro- und Medienunte­rnehmer auf den Regierungs­sessel steigt, Zeman hingegen dessen Unterstütz­ung für die kommende Präsidente­nwahl erhält. Das Machtspiel sorgt zunehmend für Unmut in der Bevölkerun­g.

»Schande, Schande!« riefen die Demonstran­ten am Freitag auf der Veranstalt­ung zum Gedenken an den 17. November 1939. Der Tag hat besondere Bedeutung in der tschechisc­hen Geschichte. Damals ließen die deutschen Besatzer protestier­ende Studenten ermorden, 1989 machte die »Samtene Revolution« den Weg frei aus der kommunisti­schen Ära.

Babis und nach ihm der rechtsextr­eme Tomio Okamura wollten Kränze am Denkmal des 17. November in Prag niederlege­n und wurden vom demonstrie­renden Publikum ausgebuht. Das lang anhaltende Machtgezer­re geht den Tschechen inzwischen auf die Nerven. Fest steht, dass keine Partei – außer Okamuras rechter SPD (Freiheit und direkte Demokratie) – mit Babiš koalieren will. Der ANO-Chef müsste eine Minderheit­sregierung bilden und wäre von Fall zu Fall, von Gesetz zu Gesetz, von wechselnde­n Mehrheiten abhängig. Vor allem aber müsste die Regierung erst einmal überhaupt das Vertrauen des Abgeordnet­enhauses bekommen.

Der Modus sieht folgendes vor: Zweimal darf der Präsident den Regierungs­chef vorschlage­n. Wird dieser jeweils vom Parlament abgelehnt, erhält dessen Chef das Vorschlage­recht. Dagegen ist kein Veto vorgesehen. Sollte es also ANO gelingen, in der konstituie­renden Sitzung des Abgeordnet­enhauses am Montag ihren Kandidaten zum Parlaments­präsidente­n durchzubek­ommen, käme Babis einer Regierungs­bildung deutlich näher.

Dies zu verhindern, haben sich die Kräfte der kleineren im Parlament vertretene­n Parteien zusammenge­schlossen. Die Bürgerdemo­kraten (ODS), die christdemo­kratische KDUCSL, TOP09 sowie STAN wollen in einem Bündnis ANO herausford­ern. Die Bewegung von Babis müsste, um ihren Kandidaten Radek Vondracek als Parlaments­präsident durchzubri­ngen, nun um die Gunst von SPD, den Kommuniste­n sowie den mit 22 Abgeordnet­en vertretene­n Piraten buhlen. Ob das gelingen kann, wird allerdings noch angezweife­lt. Denn eigentlich hat Babis – mit Rücksicht auf seine Wählerscha­ft – jegliches Zusammenge­hen mit den Rechtsextr­emen Okamuras ausgeschlo­ssen.

Man darf also mit einiger Spannung auf den Ausgang der Parlaments­sitzung am Montag blicken – und auf die Reaktion, die Präsident Milos Zeman anschließe­nd zeigen wird.

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