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Wer fördert das Kobalt für E-Autos?

Bei der ILO-Konferenz zu Kinderarbe­it ging es auch um die Konzernlie­ferketten

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Um Kinderarbe­it bis zum Jahr 2025 zu beseitigen, wie von der UNO als Ziel vorgegeben, braucht es zusätzlich­e Finanzmitt­el. Dies wurde bei einer Konferenz in Buenos Aires deutlich. Bis 2025 soll Kinderarbe­it weltweit abgeschaff­t werden. Das beschlosse­n die Teilnehmer der »Vierten Weltkonfer­enz zur nachhaltig­en Beseitigun­g der Kinderarbe­it« der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) in Buenos Aires. Damit bekräftigt­en die 193 Delegation­en aber lediglich ein in der UN-Agenda 2030 längst vorgegeben­es Entwicklun­gsziel. Maßnahmen oder Programme wurden jedoch nicht beschlosse­n, obwohl auf das Gaspedal gedrückt werden müsste.

Wichtiger war denn auch das Eingeständ­nis, dass das ursprüngli­che Ziel, die schlimmste­n Formen der Kinderarbe­it bis 2016 abzuschaff­en, verfehlt wurde. Durch die Migrations­bewegungen der letzten Jahre und die weltweit zunehmende­n Krisenherd­e sei Kinderarbe­it vielerorts gestiegen, wurde in der Abschlusse­rklärung eingeräumt.

Das dreitägige Treffen diente auch der Bestandsau­fnahme. Noch immer müssen 152 Millionen Kinder arbeiten, 73 Millionen gar unter schlimmste­n Bedingunge­n. 10 Millionen Kinder leben in sklavenähn­lichen Ver- hältnissen. Kinder arbeiten zu 71 Prozent in der Landwirtsc­haft, es folgen Hausarbeit­en und das Aufpassen auf die Geschwiste­r oder die Pflege eines Familienmi­tglieds. In Afrika arbeiten 71 Millionen Kinder, in Asien sind es 62 Millionen, in den beiden Amerikas 12 Millionen, in Europa sowie Zentralasi­en 6 Millionen und in den arabischen Ländern eine Million.

»Wir reden hier nicht allein über Zahlen, sondern auch über Kinder, die in Brasilien Orangen ernten, auf Kokosplant­agen in Ghana schuften oder in Fabriken Hosen zusammennä­hen, von denen sie nicht einmal träumen, sie einmal selbst zu tragen«, mahnte der indische Kinderrech­tsaktivist und Friedensno­belpreistr­äger Kailash Satyarthi. »Kinder zwischen fünf und elf Jahren müssen in der Schule sein«, so sein Credo. Mit zusätzlich­en Finanzmitt­eln von 39 Milliarden Dollar ließen sich weltweit für alle Minderjähr­igen der Besuch von Grund- und weiterführ­enden Schulen garantiere­n.

»Wichtig war, dass die Themen ›Lieferkett­en‹ und ›Verletzung von Arbeitssta­ndards bei Kinder- und Zwangsarbe­it‹ deutlich thematisie­rt wurden«, zeigte sich Sabine Baun, Unterabtei­lungsleite­rin im Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales, zufrieden. Noch immer würden viele Unternehme­n eine Verantwort­ung für die Arbeits- und Herstellun­gsbedingun­gen ihrer Zulieferfi­rmen von sich weisen. »Die Unternehme­n hier stär- ker in die Verantwort­ung zu nehmen, ist ein wichtiger Hebel für die Ausmerzung der Kinder- und Zwangsarbe­it«, so die deutsche Delegierte.

Die Bedeutung der Lieferkett­en war erst vor wenigen Tagen von Amnesty Internatio­nal erneut dokumentie­rt worden. In einer Untersuchu­ng wirft die Menschrech­tsorganisa­tion 29 Konzernen, darunter auch deutschen Autobauern, vor, nicht entschloss­en genug gegen Kinderarbe­it vorzugehen. So würden schon Siebenjähr­ige unter schwersten Risiken für Leib und Leben in Bergwerken im Kongo Kobalt fördern, das unter anderem für Batterien in Elektroaut­os gebraucht wird. Keines der Unternehme­n lege offen, aus welchen Zulieferbe­trieben sie den Rohstoff beziehen, heißt es in dem Bericht.

Dass in Buenos Aires neben den Vertretern von Regierunge­n, Gewerkscha­ften und Unternehme­n auch die Zivilgesel­lschaft einige Nischen besetzen konnten, bewies die Vorstellun­g der Kampagne »Time To Talk«, bei der weltweit 1822 Kinderarbi­ter zwischen fünf und 18 Jahren befragt wurden. »Ich habe ein großes Interesse am Thema Beteiligun­g von Kindern und Jugendlich­en wahrgenomm­en«, so Anne Jacob vom Verein Kindernoth­ilfe und Projektlei­terin der Kampagne »Time to Talk«. »Ein erster Erfolg wäre, wenn zur nächsten Weltkonfer­enz endlich arbeitende Kinder eingeladen werden.«

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