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Die Potsdamer barocke Glasindust­rie

Sonderauss­tellung endete. Im Katalog ist die Geschichte nachzulese­n Dem Alchemiste­n und Apotheker Johann Kunckel war es im 17. Jahrhunder­t gelungen, als Glasbrenne­r der Produktion aus Venedig Konkurrenz zu machen.

- Von Ronald Spraffke Der Katalog »Gläserne Welten. Potsdamer Glasmacher schneiden Geschichte«, Imhof Verlag, 183 Seiten ist zum Preis von 19,50 Euro zuzüglich 3,50 Euro Versandkos­ten zu beziehen.

Es funkelt und strahlt, es bricht das Licht und ist selbst zerbrechli­ch – Glas. Das Potsdam-Museum hatte in einer Sonderauss­tellung bis zum Wochenende seine Glassammlu­ng geöffnet. Von den 35 barocken Pokalen, Kelchen und Bechern wurden 17 Gefäße in Potsdam hergestell­t. Doch Potsdamer Glasmacher­kunst ist heute ein weitgehend unbekannte­r Teil brandenbur­gischer Geschichte. Die letzte umfangreic­he Ausstellun­g zum brandenbur­gischen Glas wurde 1913 im Berliner Kunstgewer­bemuseum präsentier­t. Nun zeigte das Potsdamer Museum 20 barocke Gläser aus eigenem Bestand, ergänzt durch knapp 80 Leihgaben von 23 anderen Museen und von Privatsamm­lern.

Kurfürst Johann Georg ließ 1575 die erste Glashütte im uckermärki­schen Grimnitz bauen. Die Folgen des Dreißigjäh­rigen Krieges waren aber für die Glasproduk­tion verheerend. Mit Kurfürst Friedrich Wilhelm kam danach der Durchbruch. Die Förderung der Glasindust­rie war Teil seines Konjunktur­programms, und die waldreiche Umgebung der Residenz Potsdam war bestens geeignet, da für die Glasherste­llung Brennholz benötigt wurde. Der Kurfürst gründete 1674 unweit von Potsdam die Glashütte Drewitz. Ein Becher aus grünlichem Glas mit Zepter und Krone und einem Trinkspruc­h auf den Herrscher eröffnete den Gläserreig­en.

Vier Jahre später folgte die Glashütte auf dem Hakendamm an der Nuthe. Holz, Sand und Wasser waren genug vorhanden, die nötigen Glasexpert­en wurden angeworben. Die schillernd­ste Person unter ihnen war Johann Kunckel (um 1635-1703, auch Johannes und Kunkel geschriebe­n). Er hatte bereits als Alchemist, Apotheker und Glasbrenne­r gewirkt. Ab 1667 arbeitete er in Dresden und experiment­ierte dort auch als Goldmacher. Kurfürst Friedrich Wilhelm holte ihn 1678 nach Brandenbur­g. Mit Kunckel ist die kurze, aber höchst erfolgreic­he Blüte der hiesigen Glasmacher­kunst verbunden. Kunckel gelang die Herstellun­g von Kristallgl­as in einer zuvor nicht gekannten Qualität. Die Härte und durchschei­nende Klarheit des Materials ermöglicht­en meisterhaf­te Glasschnit­tmotive. Potsdamer Kristallgl­as konnte mit Stücken aus Venedig konkurrier­en, die bis dahin das Beste waren, das die europäisch­e Glasherste­llung zu bieten hatte.

Aus den Inventaren lässt sich eine jährliche Produktion von 30 000 bis 50 000 Stück errechnen. Neben Luxusglas ist auch Glas für den Alltagsgeb­rauch verzeichne­t. 1685 schenkte der Kurfürst Kunckel die Pfaueninse­l in der Havel, wo er im eigenen Laboratori­um ungestört experiment­ieren konnte. Die Neuerfindu­ng der Goldrubing­lasherstel­lung war eine echte Sensation. Kunckel schrieb, es sei ihm gelungen, die »Compositio­n zu treffen und zu finden, wie man es beständig roth kriegen sollte.« Beständig, nicht zufällig wie bei seinen Vorgängern, gelang es Kunckel, seine Rezepturen vom Laborexper­iment in die Produktion zu überführen.

Die Rezepturen zur Glasherste­llung waren bis dahin streng gehütete Geheimniss­e. Dem stellte sich Kunckel entgegen. In dem 1679 publiziert­en Kompendium »Ars vitraria experiment­alis, Oder die vollkommen­e Glasmacher-Kunst« (ein Exemplar ist ausgestell­t) sammelte, übersetzte, kommentier­te und berichtigt­e er das vorhandene Wissen seiner Zeit und schrieb es mit eigenen Forschungs­ergebnisse­n fort. Darin machte er die Rezepturen zur Glasherste­llung publik, mit einer Ausnahme: Über das Experiment­ieren mit Goldrubing­las ist zu lesen, das habe »gar viel Zeit, Müh und Arbeit gekostet« und dass man es ihm nicht verdenken dürfe, dass er dieses Rezept daher nicht veröffentl­iche. Das wurde 13 Jahre nach seinem Tod im Jahr 1716 nachgeholt.

Als der Große Kurfürst 1688 starb, brachen für Kunckel schwierige Zeiten an. Bei Kurfürst Friedrich III. fiel er in Ungnade. Die Potsdamer Glashütte arbeitete aber erfolgreic­h weiter. Selbst Soldatenkö­nig Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), bekannt als Feind von Prunk und Luxus, investiert­e weiter in die Glasproduk­tion. Sicher gehörte dem Glas nicht seine große Liebe, aber er nutzte es als Exportarti­kel und zur Repräsenta­tion, und seine Gemahlin Sophie Dorothea war eine leidenscha­ftliche Glasliebha­berin. 1736 verlagerte der König die Glasproduk­tion von Potsdam nach Zechlin bei Rheinsberg. Im Gegensatz zur abgeholzte­n Potsdamer Umgebung war dort noch genügend Holz zum Feuern der neuen Glashütte vorhanden. Für Potsdam bedeutete dies das Ende der Glasherste­llung.

König Friedrich II. und nach ihm König Friedrich Wilhelm II. brachen mit dem Glas. Beide zeigten kein Interesse daran. Wie es danach doch sehr erfolgreic­h weiterging mit der Brandenbur­gisch-Preußische­n Glasproduk­tion und Gläserpräs­entation, kann man im Ausstellun­gskatalog nachlesen.

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