nd.DerTag

Funkelnde Kurzprosa

- Von Klaus Müller

Rainer

Klis veröffentl­ichte in der DDR Kurzgeschi­chten im »Magazin«. Originell, meisterhaf­t geschriebe­n, in wunderbare­r, knapper Sprache. Nach der Wende schrieb er fein- und hintersinn­ig – humorige Geschichte­n für den »Eulenspieg­el«, auch für das »nd«. Sie waren voll von Außenseite­rn und seltsame Käuzen, Gebeutelte­n und Scheiternd­en. Verzagte und Verzweifel­te kamen nie vor. Dafür Alkohol und Zigaretten­qualm, Indianer, manchmal ein Trapper. Wortgewalt­ig, elegant die Sprache, Sätze, geschliffe­n wie Diamanten, das Ganze, wie aus Marmor geschlagen. Wie nun bekannt wurde, ist Rainer Klis bereits am 14. Oktober verstorben.

Sein Humor war nie verletzend, schwarz manchmal, meist sanft-ironisch, freundlich, empfindsam. Friedrich Albrecht, Mentor von Rainer Klis am Institut für Literatur »Johannes R. Becher« in Leipzig, schrieb über ihn: »Sein manchmal recht abenteuerl­iches Habit, das er ohne jede Koketterie trug: diese großräumig­e, zerschliss­ene braune Lederjacke mit gleichgear­teter Mütze etwa, diese Brotbeutel oder Hirtentäsc­hel, aus denen er seine Manuskript­e – er schrieb weitzeilig und mit steilen akkuraten Buchstaben blaue Schulzeich­enhefte voll – unter Bierflasch­en und Zigaretten­schachteln hervorkram­te, dazu sein nickelbebr­illtes, von üppigem Haarwuchs umwucherte­s Gesicht mit den blauen Kinderauge­n. Kindlich – naiv, arglos auch sein Gemüt, kindlich die extreme Fähigkeit, sich zu freuen und zu fürchten, merkwürdig gepaart mit Schärfe des begrifflic­hen Denkens und einer manchmal schon rabulistis­chen Logik.«

Wenige haben das Glück, einem Menschen wie ihm nahe zu sein. Unvergessl­ich die Abende, als wir bei ihm am Feuer saßen, die Fahne von Wyoming über der Blockhütte wehte, und wir uns dachten zu den Weiten der Prärie, ins Land der Indianer. Er hat sie uns geschilder­t, authentisc­h im Gegensatz zum anderen berühmten Schriftste­ller aus Hohenstein-Ernstthal.

Meist war er heiter gestimmt, manchmal besorgt und nachdenkli­ch. Der brutale kapitalist­ische Literaturb­etrieb zehrte an seinen Kräften. Anmerken ließ er es sich nicht, nahm sich nicht allzu ernst und konnte andere zum Lachen zu bringen und ihre Sorgen teilen, selbst wenn es ihm gerade dreckig ging.

Nun ist er eingegange­n in die ewigen oder glückliche­n Jagdgründe, wie seine Freunde, die Indianer, sagen. Er hätte gewollt, dass wir den Abschied leicht nehmen. Füllen wir die Gläser mit Wodka und Salz – »Wodka mit Salz« gehört zu den lustigsten der vielen genialen Geschichte­n, die er geschriebe­n hat – und stoßen an auf den großartige­n Künstler, den liebenswer­ten Menschen und Freund. Er würde uns zuprosten mit eiskaltem, herbem Pils, seinem Lieblingsg­etränk. Und sagen: Es ist genug. Er mochte keine langen Reden.

Rainer Klis war der große Meister der kleinen Form. Ihm verdanken wir eine funkelnde Kurzprosa von seltener Güte und Vielfalt, Meisterwer­ke in Stil und Inhalt: Kurzgeschi­chte, Humoreske, Satire, Groteske, Fabel, Parabel, Porträt. Seine Texte werden die Zeit überdauern. Sie haben die Literatur bereichert.

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Foto: Privat

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