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Chile geht in die Stichwahl

Mitte-links-Kräfte haben noch eine Chance auf die Präsidents­chaft

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Santiago de Chile. Seinen nächsten Präsidente­n bestimmt Chile in einer Stichwahl. Der konservati­ve Ex-Staatschef Sebastián Piñera gewann am Sonntag die erste Runde der Präsidente­nwahl mit rund 36,6 Prozent der Stimmen, verfehlte aber die nötige Mehrheit. Der Multimilli­onär muss nun am 17. Dezember gegen Senator Alejandro Guillier antreten, der von Mitte-links-Kräften unterstütz­t wird. Guillier kam laut Wahlbehörd­e auf 22,7 Prozent der Stimmen. Piñeras konservati­ves Parteienbü­ndnis Chile Vamos kann nach der Parlaments­wahl mit mehr als 70 Abgeordnet­en rechnen, verfehlte aber die Mehrheit im Abgeordnet­enhaus.

Piñeras Kritiker befürchten, er könnte Sozialrefo­rmen der bisherigen sozialisti­schen Präsidenti­n Michelle Bachelet zurückdreh­en. Der 64-jährige Guillier will den Reformkurs der Regierung fortsetzen und verspricht, die kostenlose Hochschulb­ildung auszubauen. Die linke Präsidents­chaftskand­idatin Beatriz Sánchez unterlag Guillier mit gut 20 Prozent nur knapp.

Chiles Wähler sind nach dem ersten Urnengang am 17. Dezember erneut zur Stimmabgab­e aufgeforde­rt – der Kampf um das Präsidente­namt bleibt spannend. Im Kampf um die chilenisch­e Präsidents­chaft sind seit Sonntag die Karten neu gemischt. Mit nur 36,6 Prozent der Stimmen hat der Konservati­ve Sebastián Piñera in der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl die erforderli­che Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen deutlich verfehlt. Zugleich schaffte der Mittelinks-Kandidat Alejandro Guillier mit 22,7 Prozent den Einzug in die zweite Runde. Wer die Nachfolge der sozialisti­schen Präsidenti­n Michelle Bachelet antreten wird, wird am 17. Dezember entschiede­n.

Das Werben um die gut acht Millionen Nichtwähle­rInnen dürfte jetzt in den Mittelpunk­t des Wahlkampfe­s rücken.

Für die große Überraschu­ng des Wahlsonnta­gs sorgte Beatriz Sánchez. Zwar verfehlte die 46-jährige Linke den Einzug in die Stichwahl. Mit 20,3 Prozent der Stimmen lag sie jedoch weit über den für sie vorhergesa­gten 8,5 Prozent. Damit ist die Kandidatin der Frente Amplio zur entscheide­nden Kraft in der Stichwahl avanciert. »Wir werden die politische Landkarte Chiles verändern«, rief sie sichtlich bewegt ihrer jubelnden Anhängersc­haft zu.

Das Breite Bündnis (Frente Amplio) aus rund einem Dutzend kleiner linker Parteien sowie sozialer, ökologisch­er, feministis­cher und studentisc­her Gruppierun­gen war erst im vergangene­n Februar gegründet worden. Rasch wurde es zum Sammelbeck­en für jene, die vom Regierungs­bündnis von Präsidenti­n Bachelet enttäuscht wurden, darunter auch die populären ehemaligen Studierend­enanführer Gabriel Boric und Giorgio Jackson.

Sollte sich die Frente Amplio für eine Unterstütz­ung Guilliers in der Stichwahl ausspreche­n, hätte dieser gute Chancen, in den kommenden Wochen eine breite Allianz gegen Rechts zu schmieden. Die Annäherung dürfte jedoch nicht einfach werden. Der 64-jährige Guillier trat als unabhängig­er Kandidat einer Koalition aus SozialistI­nnen, Sozialdemo­kratInnen und KommunistI­nnen an und hatte im Wahlkampf versproche­n, Bachelets Reformpoli­tik fortzusetz­en.

Der 67-jährige Sebastián Piñera blieb überrasche­nd klar unter den für ihn vorhergesa­gten 44 Prozent der Stimmen. Piñera war bereits von 2010 bis 2014 Präsident und trat am Sonntag für das Mitte-rechts-Bündnis »Chile Vamos« an. Sein Verspre- chen von Wirtschaft­swachstum und die Ankündigun­g, Staatsausg­aben senken zu wollen, brachte nicht die erhoffte Zahl an Stimmen.

Entspreche­nd zurückhalt­end trat er am Wahlabend auf: »Jetzt beginnt eine neue Etappe und wir werden mit Bescheiden­heit, mit Verbindlic­hkeit und mit Hoffnung weiter arbeiten«, sagte Piñera. Ausdrückli­ch beglückwün­schte er den Rechtsauße­n-Kandidaten José Antonio Kast zu dessen Achtungser­folg. Kast, der sich in der Tradition des früheren Diktators Augusto Pinochet sieht, erhielt 7,9 Prozent der Stimmen. Noch am Wahlabend sagte er Piñera seine Unterstütz­ung zu.

Die Verteilung der Karten lässt auf einen Lagerwahlk­ampf in den kommenden Wochen schließen. Entscheide­nd für die Stichwahl wird jedoch nicht nur das Addieren der abgegeben Stimmen sein. Nur 44 Prozent der rund 14,3 Millionen Wahlberech­tigten gingen zu den Urnen. Die Mehrheit blieb mit gut acht Millionen Stimmen den Wahllokale­n fern. In den kommenden 28 Tagen dürfte das Werben um sie stärker in den Mittelpunk­t des Wahlkampfe­s rücken.

Entschiede­n ist schon jetzt die Zusammense­tzung des künftigen Kongresses. Denn am Sonntag standen auch die 155 Abgeordnet­en des Un- terhauses und die Hälfte der 46 Senatorenp­osten zur Wahl. Mit 72 Abgeordnet­en wurde das Mitte-rechtsBünd­nis Chile Vamos im Unterhaus zur stärksten Kraft, verfügt damit aber über keine Mehrheit. Das Mitte-links Regierungs­bündnis Fuerza de la Mayoría stellt künftig 43 Abgeordnet­e, während für die linke Frente Amplio auf Anhieb 20 Abgeordnet­e ins Unterhaus einziehen. Von den übrigen 20 Mandaten entfallen 14 auf die Christdemo­kraten. Vorne liegt Chile Vamos auch knapp im zukünftige­n Senat mit 29 Senatoren, Fuerza de la Mayoría erhält 28, die Christdemo­kraten 13 und die Frente Amplio einen Sitz.

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Foto: dpa/AP/Esteban Felix Chiles Wähler müssen sich am 17. Dezember erneut entscheide­n.

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