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Drohbrief aus Juba

Humanitäre Helfer im Südsudan müssen mit Einschücht­erung und Ausweisung rechnen

- Von Marc Engelhardt

Trotz Millionen hungernder Menschen macht die südsudanes­ische Regierung Hilfswerke­n die Arbeit schwer. Es sind immer mehr Genehmigun­gen notwendig, die horrende Summen kosten sollen. Bürgerkrie­g, Hyperinfla­tion und eine schwere Dürre: Im Südsudan hungern nach UN-Angaben 4,8 Millionen Menschen. Nur die großflächi­ge Verteilung von Nahrungsmi­tteln habe bisher eine Hungersnot verhindert, sagt Adnan Khan vom Welternähr­ungsprogra­mm. Doch anstatt die Helfer bei der Rettung von Menschenle­ben zu unterstütz­en, errichtet Südsudans Regierung immer neue Hürden. Dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd) liegt ein Schreiben vor, in dem 674 namentlich aufgeführt­en Mitarbeite­rn von Hilfsorgan­isationen mit der Ausweisung gedroht wird – wenn sie nicht überhöhte Gebühren zahlen.

Das Schreiben stammt von der südsudanes­ischen Regierungs­kommissi- on für Hilfen und Wiederaufb­au und wurde am 2. November an die Nothilfeko­ordination der UN (OCHA) in der Hauptstadt Juba geschickt. Darin heißt es, die in einer angehängte­n Liste mit Namen aufgeführt­en Ausländer besäßen keine gültige Arbeitsgen­ehmigung und müssten diese binnen eines Monats erstehen. Andernfall­s würden ihre Arbeitsver­träge annulliert. In der Praxis bedeutet das die Ausweisung, denn ohne Vertrag dürfen sie nicht im Land bleiben.

Bei der UNO, die die Arbeit der meisten Hilfsorgan­isationen im Südsudan koordinier­t, löst die Drohung Sorge aus. »Informatio­nen darüber, wer für Nichtregie­rungsorgan­isationen arbeitet, sind vertraulic­h und dürfen ohne Zustimmung der Betroffene­n nicht publik gemacht werden«, sagte der Chef der UN-Nothilfeko­ordination in Juba, Ian Ridley. Selbstvers­tändlich müssten sich die Helfer an Recht und Gesetz halten. »Die unklare und oft unvorherse­hbare Umsetzung von Gesetzen stellt aber eine große Herausford­erung dar.«

Das ist noch diplomatis­ch ausgedrück­t. Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen berichtete­n dem epd, dass die Zahl von Abgaben und Auflagen im vergangene­n Jahr geradezu explodiert ist. Für jede Arbeitsgen­ehmigung sind jetzt statt 100 satte 4000 US-Dollar fällig. Eigentlich wollte Südsudans Regierung 10 000 Dollar pro Person kassieren. Dazu kommen neue Zölle und Einfuhrgeb­ühren für Hilfsgüter und umständlic­he Reisegeneh­migungen innerhalb des Landes, die Zeit und Geld kosten. Die De- visen braucht die Regierung von Präsident Salva Kiir dringend, denn sowohl die EU als auch die USA haben ihre Hilfen an sie eingefrore­n – wegen des seit 2013 dauernden Bürgerkrie­gs mit Rebellen unter dem Ex-Vizepräsid­enten Riek Machar.

Auf der Liste sind fast alle großen Hilfsorgan­isationen aufgeführt, darunter allein 119 Ärzte, Pfleger, Hebammen und andere Mitarbeite­r von Ärzte ohne Grenzen aus Belgien, Frankreich und den Niederland­en. Mitarbeite­rn von Oxfam und Save the Children droht die Regierung ebenso wie der katholisch­en Bischofsko­nferenz im Südsudan, die wie andere kirchliche Organisati­onen bisher von den Gebühren befreit war. 240 000 Dollar soll die Bischofsko­nferenz für ihre Mitarbeite­r zahlen.

Auch deutsche Organisati­onen stehen auf der Liste, unter ihnen das katholisch­e Hilfswerk Caritas Internatio­nal. Sprecher Achim Reinke versichert, dass die Organisati­on den gesetzlich­en Vorgaben nachkommt, kritisiert aber auch: »Man müsste doch eigentlich Interesse haben, dass jetzt die Hilfe zu den Menschen kommt, und nicht zusätzlich­e Gebühren erheben.«

Das Schreiben der Regierung hat wohl auch noch eine andere Funktion: Helfer schließen nicht aus, dass ihnen Angst gemacht werden soll. Vor nicht allzu langer Zeit wurden zwei unliebsame Mitarbeite­r einer Hilfsorgan­isation inhaftiert und ausgefloge­n. Die Überwachun­g im Land nimmt zu. Bei dem Brief aus Juba könnte es sich also nicht nur um eine Mahnung, sondern zusätzlich auch um einen Drohbrief handeln. Denn viele Namen stehen offenbar zu Unrecht auf der Liste: Ehemalige Mitarbeite­r oder Besucher sind ebenso darunter wie Helfer, die eine gültige Genehmigun­g besitzen. Die Vereinten Nationen weisen zudem darauf hin, dass die südsudanes­ischen Behörden seit Wochen keine Arbeitsgen­ehmigungen mehr ausgestell­t haben. Auch seien nur neun Prozent aller humanitäre­n Helfer Ausländer.

Auf der Liste sind fast alle großen Hilfsorgan­isationen aufgeführt, darunter allein 119 Ärzte, Pfleger, Hebammen und andere Mitarbeite­r von Ärzte ohne Grenzen.

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