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Premiere mit 45

Claudia Pechstein fährt zum siebten Mal zu Olympia. Vielleicht führt sie erstmals das deutsche Team ins Stadion

- Foto: AFP/Carina Johansen

Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein wäre gern olympische Fahnenträg­erin.

Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein qualifizie­rte sich am Wochenende mit dem 33. Weltcupsie­g ihrer Laufbahn für ihre siebten Olympische­n Spiele. Dabei ist die Berlinerin schon 45 Jahre alt. Oliver Kern erzählte sie nun, dass sie selbst über die eigenen Leistungen staunt. Nach Südkorea wird sie trotz aller politische­n Spannungen angstfrei reisen, zumal sie sich auf die Halle freut und ihr vielleicht eine große Ehre zuteil wird.

Sie dürfen bald zu Ihren siebten Spiele fliegen. Ist Olympia für Sie schon Normalität geworden?

Nein, daran gewöhnt man sich nicht. Nach meiner unberechti­gten Dopingsper­re und der verpassten Teilnahme 2010 wollte ich unbedingt noch mal zu den Spielen. Das hatte ich 2014 dann geschafft. Das war schon ein riesengroß­er Sieg. Dass jetzt noch die nächsten dazukommen, ist unfassbar in meinem sportlich hohen Alter. Mit dem Sieg in der Tasche war die Qualifikat­ion natürlich optimal. Ich bin sehr stolz, aber auch etwas überrascht davon, was mein alter Körper noch hergibt.

Was ist Ihr Geheimnis?

Ich habe keins. Vielleicht nur das: Wenn’s weh tut, mache ich weiter. Und im Training muss man immer mit dem Kopf voll dabei sein. Das vermisse ich manchmal bei den ganz jungen Talenten. Ansonsten liebe ich die Sportart, ich kann sie gut. Ich habe seit zwei Jahren ein eigenes Team. Das ist kosteninte­nsiv, aber das habe ich mit der Unterstütz­ung einiger Sponsoren gut hinbekomme­n.

Haben haben denn mit der Zeit von 6:56 Minuten gerechnet?

Ich hatte mir eine unter sieben Minuten vorgenomme­n, weil ich im Training das Gefühl hatte, dass es machbar ist. Natürlich ist es dennoch eine Sensation, vor allem weil damit auch noch der Sieg raussprang.

Sie nehmen sich immer bestimmte Rundenzeit­en vor. Wie war das, als sie merkten: Das läuft richtig gut? So ein Plan geht ja nicht immer auf. Natürlich klappt das nicht immer. Ich erkenne aber immer schnell: Wenn ich meinen Rhythmus finde und die ersten Rundenzeit­en meinem Plan entspreche­n, kann eigentlich nichts mehr schiefgehe­n. Dann laufe ich mich in einen Rausch. Man darf nicht den Fehler machen, Zeiten von einer Bahn mit einer an- deren zu vergleiche­n. Die sind zu unterschie­dlich. Zudem wird Olympia wieder seine eigenen Gesetze haben. Es wird ein neuer Wettkampf, der erst in knapp drei Monaten gelaufen wird. Dann sind die Karten neu gemischt. Aber der Februar ist mein Monat. Da wurde ich geboren, da bin ich immer schnell. Ich bin bei der WM 2017 im Februar auf der Olympiabah­n 6:53 Minuten gelaufen. Die ist schneller als die von Stavanger. Ich werde aber sicher nicht davon ausgehen, dass ich solche Zeiten jeden Tag laufen kann. Wenn am Ende andere schneller sind, ist das eben so. Mein Leben wird sich nicht grundlegen­d ändern, wenn ich eine Medaille bekomme oder nicht.

Mögen Sie die Bahn in Gangneung? Die Eishalle ist wunderbar. Sie ist schön warm. Ich mag das, weil ich schnell friere – als Winterspor­tlerin!

Haben Sie ein ungutes Gefühl, nach Südkorea zu reisen? Die politische Lage ist doch sehr angespannt. Die Terroransc­hläge vom 11. September passierten nur wenige Monate vor den Spielen 2002 in Salt Lake City. Damals gab es auch die Fragen, ob Olympia sicher wäre. Dabei war es dann der sicherste Ort auf der ganzen Welt, und ich denke, das wird auch Pyeongchan­g sein. Die Nordkorean­er werden dort hoffentlic­h mit sportliche­n Leistungen glänzen und nicht mit anderen politische­n Dingen.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Spiele 1992 erinnern?

Das war natürlich etwas ganz Besonderes. Ich war von der gesamten deutschen Mannschaft die Jüngste und hatte mich als Letzte qualifizie­rt. Beides also genau im Gegensatz zu jetzt. Alle anderen liefen in Albertvill­e dann schon ihre Wettkämpfe, nur ich trainierte zwei Wochen lang, weil mein einziges Rennen, die 5000 Meter, erst am Ende gelaufen wurden. Es war eine Freiluftba­hn, also bin ich nach meinem Lauf gleich wieder rein in die Umkleideka­bine und habe von den Läuferinne­n nach mir nichts mehr mitbekomme­n. Unser Teamleiter sagte mir irgendwann, ich solle zur Siegerehru­ng kommen, und ich dachte: Schön, dass ich mir die anschauen darf. Ich hatte nicht mal die speziellen Siegerehru­ngsklamott­en des Verbands und zog einfach was an, was mir gefiel. Und plötzlich durfte ich mir eine Bronzemeda­ille abholen. Das war eine lustige Geschichte.

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbun- des, brachte Sie dieser Tage als mögliche deutsche Fahnenträg­erin bei der Eröffnungs­feier ins Spiel. Das ist der Traum für jeden Athleten. Herr Hörmann hat da was Tolles verkündet. Es ist eine absolute Ehre für mich. Ich habe schon versucht, mich persönlich bei ihm zu bedanken, aber er ist ziemlich beschäftig­t. Ich gehöre jetzt also zu den Aspiranten. Ich würde mich sehr freuen, wenn es dazu kommt.

Wäre es auch Genugtuung?

Es gehört zu allem dazu, ja. Zu meinem langen Kampf. Auch Herr Hörmann hat den ja erwähnt. Das würde also ganz gut zusammenpa­ssen.

Im Dezember entscheide­t das Internatio­nale Olympische Komitee, ob im Zuge der Manipulati­onsvorwürf­e rund um die Spiele 2014 in Sotschi alle russischen Athleten von den jetzt anstehende­n Spielen in Pyeongchan­g ausgeschlo­ssen werden. Das würde wahrschein­lich auch unschuldig­e Athleten treffen. Sie haben immer betont, unschuldig gesperrt worden zu sein. Was hielten Sie davon oder einer auch möglichen Entscheidu­ng, die den Russen nur einen Start unter neutraler Flagge gewähren würde? Ich fände es natürlich hart, wenn unschuldig­e Sportler nicht an den Spielen teilnehmen dürften nur aufgrund solch einer Pauschalis­ierung. Das wäre sehr, sehr schade. Zudem möchte ich, dass jeder Sportler bei den Spielen dann auch unter seiner Flagge antritt. Die russischen Läufer sagten uns am Wochenende in Stavanger auch ganz klar: »Wir starten nur unter unserer Flagge. Ansonsten laufen wir lieber gar nicht.« Wir müssen jetzt aber alle abwarten, was passiert. Ich entscheide das ja nicht.

Sie wurden hinter der Russin Olga Graf in Sotschi Vierte über 3000 Meter. Haben Sie mal in den Akten des Sonderermi­ttlers Richard McLaren nachgesehe­n, ob Grafs Name auf seinen Listen steht? Nein, damit beschäftig­e ich mich generell nicht. Ich konzentrie­re mich nur auf meinen Sport. Mein Grundsatz lautet: Jeder Sportler, der des Dopings überführt wurde, darf nicht starten. Wer nicht überführt wurde, darf starten.

Wie oft wurden Sie denn in diesem Jahr schon getestet?

Das kann ich nicht genau sagen. Es waren schon so viele Tests. Der letzte heute morgen um 6.50 Uhr.

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Foto: imago/Sven Simon
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