Gaza – Symbol des Nichtfriedens
Palästinensische Versöhnung in Kairo unter erschwerten äußeren Bedingungen
Kairo. Die beiden großen Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas haben in Kairo weitere Gespräche über eine Aussöhnung aufgenommen. Das Treffen begann am Dienstag, es könne mehrere Tage dauern, teilten die Verhandlungsdelegationen mit. Vom Ausgang der Gespräche hängt einiges ab. Sollte die politische Spaltung bestehen bleiben oder sich gar noch vertiefen, würden viele internationale Hilfsorganisationen wohl ihre Hilfslieferungen einschränken.
Der UN-Nahostgesandte Nikolai Mladenow, ehemaliger Außenminister Bulgariens, wird von dpa mit der Warnung zitiert: »Wenn die Gespräche zwischen Fatah und Hamas scheitern, steigt das Risiko eines Konflikts in Gaza.« In Kairo sind deshalb weitere palästinensische Gruppierungen beteiligt.
Den Grundstein für ein Ende der in den vergangenen zehn Jahren erbitterten Konfrontation zwischen Fatah und Hamas hatten beide Organisationen vor sechs Wochen gelegt. Damals hatten beide Seiten in Kairo eine erste Vereinbarung unterzeichnet. Danach soll die bisher nur das Westjordanland kontrollierende palästinensische Autonomieregierung von Präsident Mahmud Abbas bis zum Ende dieses Monats die vollständige Verwaltung des Gazastreifens übernehmen. Von israelischer Seite wird die Aussöhnung mit sichtlichem Missbehagen betrachtet, ist ihre Spaltung doch ein wesentlicher Grund, warum israelischem Landraub so wenig Widerstand entgegengesetzt werden kann.
Ungemach kommt auch aus den USA. Dort will die Trump-Administration alle palästinensischen Vertretungen schließen. Die Palästinenser erklärten nun, auch ihrerseits alle Kontakte zu Washington einfrieren zu wollen. Das alles geschieht am 50. Jahrestag der UNNahostresolution 242, die die Region befrieden sollte. Kein gutes Omen.
Am 22. November 1967 wurde die Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates beschlossen. Sie verpflichtete Israel zur Räumung aller im Junikrieg desselben Jahres besetzten Territorien. Damit einhergehend sollte der Kriegszustand beendet und die Sicherheit aller beteiligten Staaten garantiert werden. Es war ein einstimmiger Beschluss, der dennoch bis heute nur zum Teil umgesetzt wurde.
Vor 50 Jahren verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 242 zum israelisch-arabischen Konflikt. Doch bis heute schreitet der Siedlungsbau voran. Seit Tagen demonstrieren Dutzende Palästinenser außerhalb von Ofra; dass es nur so wenige sind, liege wohl daran, dass diese israelische Siedlung so weit abseits und abgeschottet durch Straßensperren des israelischen Militärs sei, sagt der palästinensische Regierungschef Rami Hamdallah: »Tatsächlich sitzt der Frust sehr, sehr tief.«
Und ja, in sozialen Netzwerken im Internet machen vor allem junge Palästinenser ihrem Ärger über die Vorgänge rund um Ofra Luft: Israels Regierung will gut 1,25 Hektar Land, das sich in palästinensischem Privatbesitz befindet, enteignen und der Siedlung hinzufügen. Das Besondere: Israels Regierung gesteht offen ein, dass das Land versehentlich an eine jüdische Organisation verkauft wurde, obwohl sich das Land in Privatbesitz befand. Deshalb will man sich nun des aus dem Mittelalter stammenden Konzepts des »Offenen Markts« bedienen, das den Nachfolgebesitz von ursprünglich gestohlenem Gut regelte: Die Käufer hätten das Land im guten Glauben erworben, dass der Verkäufer tatsächlich der Eigentümer war. Und die Anwälte der Regierung erklären, die eigentlichen Besitzer hätten ihr Landeigentum nicht im Kataster eintragen lassen, und damit zu erkennen gegeben, dass sie an ihrem Besitz nicht interessiert seien.
»50 Jahre nach der Verabschiedung von Resolution 242 durch den UNO-Sicherheitsrat benimmt sich Israel, als seien die besetzten Gebiete Teil des israelischen Staats,« sagt Premierminister Hamdallah. Am 22. November 1967 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig gefordert, Israel müsse sein Militär aus Gebieten abziehen, die in bewaffneten Konflikten erobert wurden. Außerdem wird darin die Anerkennung des Rechts aller Staaten in der Region gefordert, unabhängig und in Frieden in anerkannten Grenzen zu existieren.
Die Resolution wurde zur Leitschnur aller Verhandlungen zwischen Israel, den Palästinensern und der restlichen arabischen Welt; unter anderem wird darauf in den Friedensverträgen mit Ägypten und Jordanien, in den Osloer Übereinkünften, mit denen die palästinensischen Autonomiegebiete geschaffen wurden, sowie im damit in Verbindung stehenden Pariser Vertrag, einem Wirtschaftsabkommen, Bezug genommen.
Außerdem bildet die Resolution die Grundlage für das vor allem in Europa und in den Vereinigten Staaten lange Zeit immer wieder zu hörende Mantra, der Konflikt könne nur auf der Grundlage von gegenseitigen Verhandlungsergebnissen gelöst werden.
»Aus palästinensischer Sicht bedeutet das, dass selbst die verhältnismäßig kleinen Gebiete, die für uns übrig geblieben sind, von der internationalen Gemeinschaft als Verhandlungsmasse betrachtet werden«, sagt Hamdallah: »Für uns ist aber die Grenze vom 5. Juni 1967 einschließlich Ost-Jerusalems im wahrsten Sinne des Wortes die rote Linie.« Am 5. Juni 1967 begann der arabisch-israelische Sechs-Tage-Krieg.
Denn Resolution 242 ist keineswegs eindeutig: In der englischen Beschlussfassung heißt es, Israel müsse sich aus die erobert wurden, zurückziehen, also nicht aus
In der französischen Übersetzung indes ist von Rückzug »aus den Gebieten« die Rede.
Aus arabischer Sicht ist damit ein Rückzug auf die 67er Grenze gemeint; Israel und ein Großteil der westlichen Staaten indes interpretieren die Resolution so, dass damit Ver- handlungen über die künftigen Grenzen Israels gemeint wurden, wobei auch in Israel selbst enorme Dissonanzen zwischen den politischen Lagern über diese entscheidende Frage bestehen.
Die sozialdemokratisch orientierte Arbeitspartei, die Israels Politik bis 1977 dominierte, und unter deren Regierung schon kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg der Siedlungsbau auf besetztem Gebiet begann, hat heute die 67er Grenze und auch OstJerusalem als künftige Hauptstadt Palästinas akzeptiert.
Israels Rechte rund um den Likud von Regierungschef Benjamin Netanjahu und die der Siedlerbewegung nahestehende Partei Jüdisches Heim indes sehen die Resolution in völlig anderem Licht: Von einem palästinensischen Staat sei darin gar keine Rede; die Resolution beziehe sich nur auf Syriens Golan-Höhen; Ägypten, was Sinai und den Gazastreifen betrifft, und Jordanien in Bezug auf das Westjordanland, denn dies seien die drei Länder, von denen man diese Gebiete erobert hatte. Da die jordanischen Ansprüche auf das Westjordanland zum einen international nie anerkannt und zudem auch 1980 von Jordanien an die Palästinenser abgetreten wurden, sei das Westjordanland auch gar nicht besetzt, sondern umstritten: »Es ist unser Recht, dort Siedlungen zu bauen«, sagt Naftali Bennett, Vorsitzender der Partei Jüdisches Heim, und verweist auf eine Reihe von Rechtsgutachten, die allesamt von den Siedlern nahestehenden Juristen stammen.
Im Fall Gazas habe man die Resolution ohnehin erfüllt, heißt es zudem in einem im Auftrag des Likud erstellten Rechtsgutachten aus dem Jahr 2014: Es befände sich kein israelisches Militär mehr dort. Dass man durch eine Blockade den dicht bevölkerten Landstrich weiter kontrolliere, habe völkerrechtlich keine Bedeutung. Über eine Rückgabe der Golanhöhen wurde in den 90er Jahren kurzzeitig verhandelt; heute ist davon auch wegen des Kriegs in Syrien keine Rede mehr.
»Für uns ist die Grenze vom 5. Juni 1967 die rote Linie.« Rami Hamdallah, palästinensischer Regierungschef