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Sieben Mandate auf einen Streich

Provisoris­che Regierung trifft weitreiche­nde Entscheidu­ngen ohne ausreichen­de Parlaments­kontrolle. Beispiel Bundeswehr-Auslandsei­nsätze

- Von René Heilig

Am Dienstag wurde über die Bundeswehr­einsätze im Mittelmeer, in Afghanista­n, in Darfur, Südsudan und gegen den IS beraten. Am Mittwoch geht es um Mali und Irak. Zweite Sitzung des neu gewählten Bundestage­s. Es ging um die Verlängeru­ngen von sieben Auslandsei­nsätzen, die im Kabinett beschlosse­n worden waren. Nun braucht die Regierung das Einverstän­dnis des Parlaments. Als Ursula von der Leyen (CDU), die geschäftsf­ührende Verteidigu­ngsministe­rin, sagte, dass »Deutschlan­d für Verlässlic­hkeit steht«, kam nur müder Beifall auf. Als von der Leyen den Satz wiederholt­e und ob der ausbleiben­den Regierungs­bildung den Ernst der Lage anspricht, hört man ihr zu.

Auch Außenminis­ter Sigmar Gabriel mahnte das Parlament, »keine Belege dafür zu schaffen, dass die Verlässlic­hkeit Deutschlan­ds in Gefahr ist«. Gabriel lobte insbesonde­re den Einsatz gegen den Islamische­n Staat (IS) und betonte Fortschrit­te bei dessen Bekämpfung. Naturgemäß hat die Opposition eine andere Sicht auf die Kriegseins­ätze. Die AfD-Fraktion klatschte als die LINKE-Abgeordnet­e Sevim Dagdelen von einem »Desaster« in Syrien spricht.

Problemati­scher als der Luftwaffen­einsatz gegen den IS könnte der Einsatz »Resolute Support« werden. Das Afghanista­n-Mandat soll – wie alle anderen – erst einmal um drei Monate verlängert werden. Als man diesen Zeitraum vereinbart­e, ging man freilich davon aus, dass es möglichst bald eine ordentlich­e Regierung in Berlin geben werde. Die kann ja dann substanzie­lle Mandatsant­räge vorlegen. Dachte man.

Aufgabe der Bundeswehr in Afghanista­n ist es, dortige Sicherheit­s- kräfte auszubilde­n, zu beraten und zu unterstütz­en. Der deutsche Verantwort­ungsbereic­h liegt im Norden des Landes. Dort führt man auch Soldaten aus 18 anderen Nationen und betreibt den militärisc­hen Teil des Flugplatze­s in Masar-i-Scharif. Auch übernimmt die Bundeswehr taktische Lufttransp­orte.

Bis zu 980 deutsche Soldatinne­n und Soldaten mit entspreche­nder Ausrüstung können eingesetzt werden. Da jedoch die Kraft der Taliban und anderer Aufständis­cher größer wird, wächst die Notwendigk­eit eigener Kampfberei­tschaft. Zudem machen die USA, die ihre Truppenstä­rke um mindestens 3000 Soldaten erhöhen, Druck auf deutsche Mehrleistu­ngen. Noch konnte von der Leyen solche Begehrlich­keiten abwehren. Sie verwies darauf, dass Deutschlan­d erst im vergangene­n Jahr mehr Soldaten an den Hindukusch geschickt hat. Nicht von ungefähr hat die Mi- nisterin in ihrer Bundestags­rede vor allem über politische Forderunge­n an die Regierunge­n in Afghanista­n und Pakistan sowie die Regionalmä­chte vor Ort geredet. Doch im kommenden Frühjahr stehen in Afghanista­n erneut Wahlen an. Niemand zweifelt daran, dass die Kämpfe deshalb an Intensität zunehmen.

Es fragt sich, wie handlungsf­ähig die provisoris­che deutsche Regierung in so einer Situation sein wird. Zumal die parlamenta­rische Kontrolle weitgehend ausfällt. Dagegen hat beispielsw­eise der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels (SPD) in einem Tagesschau-Interview die zügige Einsetzung wichtiger Parlaments­gremien gefordert. Es stehe nicht im Belieben von Parlaments­mehrheiten, »ob man einen Verteidigu­ngsausschu­ss einrichtet oder einen Allround-Ausschuss, der einen Teil der Aufgaben nebenbei miterledig­t«. Bartels betonte die Notwendigk­eit ei- ner wirksamen Kontrolle der Streitkräf­te. Darauf habe die Bundeswehr auch ein verfassung­smäßiges Recht.

Es gibt Befürchtun­gen, dass der Parlaments­vorbehalt auch bei einem anderem Thema ausgehebel­t werden soll. Es geht um die Ständige Strukturie­rte Zusammenar­beit (PESCO), also um eine neue Qualität der Verteidigu­ngskoopera­tion innerhalb der EU. Die Linksfrakt­ion meint, dass »die geschäftsf­ührend amtierende Bundesregi­erung keine politische Legitimati­on besitzt, ohne Beteiligun­g und Mitwirkung des Bundestags auf EUEbene Entscheidu­ngen zu treffen, die derart weitreiche­nde und verbindlic­he Verpflicht­ungen für die Zukunft beinhalten«. Die Linksfrakt­ion will, dass der Bundestag die Teilnahme Deutschlan­ds an der Ständigen Strukturie­rten Zusammenar­beit ablehnt und reichte einen entspreche­nden Antrag ein. Er wurde in den Hauptaussc­huss überwiesen.

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