IHRE MEINUNG
Im Wahlkampfmodus
Zu »Jamaika in der Tonne« über den Ausstieg der FDP aus den Sondierungen über eine Jamaika-Koalition, 21.11., S. 1; online: dasND.de/1070744 Die Profilierungssucht der Verhandler vor laufenden Kameras war eine Zumutung. Mit Wortakrobatik sich den Pelz zu waschen, ohne dabei selbst nass zu werden, hat teilweise abstoßende Formen angenommen.
Verantwortung übernehmen und Aufbruchstimmung bedeutet, nicht die Parteiinteressen zum Maß der Dinge zu machen. Die Wahlergebnisse der Bundestagswahl haben deutlich gemacht, dass es einem großen Teil der Menschen reicht, von der Politik nicht mehr gehört zu werden. Hier sind Antworten gefragt, die bei den Sondierungen so gut wie keine Chance hatten. Ich frage mich, ob denn der Familiennachzug wirklich das zentrale Thema ist, was die Menschen in diesem Lande bewegt?
Sich in den »Nachtsitzungen« die Wahlprogramme vorzulesen, die an den Problemen der Menschen vorbei gegangen sind, lösen nicht die Probleme. Die Verhandler haben wohl nicht gemerkt, dass sie noch immer im Wahlkampfmodus sind. Das hier gebotene Bild hat mehr als Kopfschütteln verursacht. Die »Fähigkeit«, die jetzt entstandenen Kosequenzen zu überblicken, hat dieser Runde, wo jetzt jeder die Schuld bei den Anderen sucht, gefehlt. Rolf-Dieter Reiber, Ichstedt Von der FDP hätte ich eigentlich am wenigsten erwartet, dass sie die Verhandlungen abbricht. Nach den vielen Störfeuern der CSU mit unqualifizierten Bemerkungen wäre eher ein Rückzug der Grünen erwartet worden. Doch die FDP und Christian Linder haben für mich das einzig Richtige getan. Nun sollte ein Neuanfang gewagt wer- den und zwar mit neuen Köpfen bei der CSU, bei den Grünen und auch bei der CDU, denn Angela Merkel's Zeit ist längst abgelaufen! Was wir in Deutschland brauchen, ist ein Politikwechsel – und zwar nach links. Von der neoliberalen und konservativen Politik, die weder das Wohl der Bürger im Blickfeld hat, noch die soziale Schieflage in unserem Lande beseitigen will, haben wir genug! Deshalb sollten die Bürger bei Neuwahlen sich endlich für eine andere Alternative entscheiden! Thomas Henschke, Berlin Das bürgerliche Regierungsprojekt ist gescheitert. Ein äquivalentes linkes Alternativprojekt mit Machtperspektive ist nicht in Sicht. Doch Deutschland braucht nach all den Jahren »der Mitte, der Mitte, der Mitte« dringend ein Projekt mit der von Jakob Augstein geklauten Überschrift »Im Zweifel links«.
Was heißt das? Gefordert sind alle Kräfte (minus AfD), die am Jamaika-Politgeschacher nicht beteiligt waren. Sie müssen ein Konzept »Zukunft Deutschland« entwickeln, das sich von den Jamaika-Ergebnissen und deren Akteuren deutlich abhebt. Das muss doch – verdammt noch mal – gehen, ohne Verrat der eigenen Seele.
Denkarbeit sowie deren nachvollziehbare und glaubwürdige Vermittlung gegenüber dem Volk erfordert hohen Aufwand und auch viel Zeit. Dank einer Phase mit Minderheitsregierung würde der Raum entstehen, ein Projekt »Im Zweifel links« zu entwickeln, um damit in Neuwahlen einzusteigen und dem bürgerlichen Brei entgegen zu treten. Empörung allein reicht nicht. Andreas Meyer, Gibswil (Schweiz) Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktionellen Meinungsäußerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.