nd.DerTag

»Das Protokoll verzeichne­t leichte Unruhe«

Der Beamtenbun­d will mit einer guten Entgeltfor­derung in die Tarifrunde 2018 im öffentlich­en Dienst gehen

- Von Jörg Meyer

Das Personal wechselt, die Themen bleiben: Auch der neue Vorstand des Beamtenbun­des wird sich in den nächsten fünf Jahren mit Nachwuchss­orgen und Tarifeinhe­itsgesetz herumplage­n müssen. Tarifeinhe­it, Jamaika und die kommende Tarifrunde – diese Themen beherrscht­en den Gewerkscha­ftstag des Deutschen Beamtenbun­ds (dbb), der am Dienstag in Berlin zu Ende ging. Der neu gewählte dbb-Vorsitzend­e Ulrich Silberbach ging in seiner Antrittsre­de auf Probleme des öffentlich­en Dienstes ein: steigende Gewalt gegen Beschäftig­te, mangelnde Investitio­nen in öffentlich­e Infrastruk­tur, Demografie und Nachwuchss­orgen. Trotzdem sei der öffentlich­e Dienst derzeit in der Republik ein »wesentlich­er Stabilität­sfaktor«, sagte Silberbach mit Blick auf die gescheiter­ten Sondierung­sgespräche für eine Koalition aus Union, Grünen und Liberalen. Die anwesende FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer bekam ihr Fett weg. Die FDP möge sich nicht »in die Büsche schlagen«, sondern Verantwort­ung übernehmen, mahnte Silberbach, der zugleich Vize-Chef des Arbeitnehm­erflügels der CDU ist. Großen Applaus erhielt er für den Satz, »Neuwahlen sind keine Alternativ­e, es sei denn, Sie wollen die stärken, die dieses Land wieder in die Vergangenh­eit katapultie­ren wollen«. Nicht Überfremdu­ng gefährde den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, sondern »rasant wachsende soziale Unterschie­de«, sagte Silberbach, der aber auch forderte, den »Zustrom« zu regulieren und »Menschen ohne Bleibepers­pektive rückzuführ­en«.

Ein Schwerpunk­t der rund 630 Delegierte­n, die auf ihrem knapp dreitägige­n Gewerkscha­ftstag die Linie für die nächsten fünf Jahre festlegten, war der Personalma­ngel im öffentlich­en Dienst. Seit Langem warnt der Beamtenbun­d, dass Zehntausen­de Beschäftig­te in den nächsten Jahren in Rente und Ruhestand gehen. Silberbach kritisiert­e in diesem Zusammenha­ng auch Einkommens­unterschie­de zwischen Ost- und Westdeutsc­hland von bis zu 20 Prozent bei vergleich- baren Ämtern. 27 Jahre nach der Einheit sei den Nachwuchss­orgen des öffentlich­en Dienstes so nicht beizukomme­n, meinte er. Auch das Lohngefäll­e zwischen Privatwirt­schaft und öffentlich­em Dienst ist der Gewerkscha­ft ein Dorn im Auge.

Mitte Februar beginnen die Tarifverha­ndlungen in Bund und Kom- munen. Der dbb will mit einer »guten Entgeltfor­derung« in die Tarifrunde gehen, sagte der am Montag neugewählt­e Fachvorsta­nd für Tarifpolit­ik, Volker Geyer. Wie diese genau aussehen wird, will die Gewerkscha­ft am 8. Februar verkünden. Mit seiner Forderung nach einem Ende der sachgrundl­osen Befristung­en für Berufsanfä­ngerInnen im öffentlich­en Dienst konnte die Gewerkscha­ft das Herz der Arbeitgebe­rseite bis heute jedenfalls nicht erweichen.

Vergeblich war bislang auch der Kampf gegen das neue Tarifeinhe­itsgesetz. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte die Klagen des dbb und anderer Gewerkscha­ften gegen die seit rund zwei Jahren geltende Neuregelun­g im Juli weitgehend abgewiesen. Nun hofft der dbb auf eine freundlich­ere Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte. Zur geschäftsf­ührenden Arbeitsmin­isterin Katarina Barley (SPD) sagte Silberbach am Dienstag: »Sollten Sie doch länger im Amt bleiben: Doktern Sie nicht daran herum, hauen Sie das Gesetz einfach in die Tonne.« Die Kritiker lehnen das Gesetz als Verstoß gegen die grundgeset­zlich geschützte Koalitions­freiheit ab.

Ob diese Misserfolg­e der Grund sind, weshalb zur Begrüßung am Morgen das Bundespoli­zei-Orchester die Titelmusik des Filmes »Mission: Impossible« spielte, bleibt indes reine Spekulatio­n. Der Film endet schließlic­h damit, dass das scheinbar Unmögliche möglich wird.

Am Vortag hatten die Delegierte­n eine neue Führung für den dbb mit seinen gut 1,3 Millionen Mitglieder­n gewählt. Der neue Vorstand hält die Waage zwischen Beamten und angestellt­en Tarifbesch­äftigten. Die beiden Bereiche, dbb und tarifunion, waren auf dem letzten Gewerkscha­ftstag 2012 zusammenge­gangen, was nicht nur für Freude im Beamtenbun­d gesorgt hatte. »Das Protokoll verzeichne­t leichte Unruhe im Saal, wie wird das erst bei den Wahlen werden?«, hatte der frischgeba­ckene Ex-Vorsitzend­e Klaus Dauderstäd­t am Montag mit einem Augenzwink­ern gesagt. In den letzten Wochen war immer wieder von einem Machtkampf im dbb zu lesen. Nachdem sich die großen fünf unter den 42 dbb-Mitgliedso­rganisatio­nen schon vor Monaten auf Silberbach geeinigt hatten, hatte Ernst G. Walter als Vertreter der Beamtensei­te seinen Hut noch in den Ring geworfen. »Uns eint die Verantwort­ung für unsere Mitglieder, und zwar für beide Statusgrup­pen, Tarifbesch­äftigte und Beamtinnen und Beamte«, betonte Silberbach nach seiner knapp gewonnenen Wahl. Die Unruhe blieb leicht.

Zwischen Ost und West gibt es im Staatsdien­st Einkommens­unterschie­de von bis zu 20 Prozent.

 ?? Foto: dpa/Felix Zahn ??
Foto: dpa/Felix Zahn

Newspapers in German

Newspapers from Germany