nd.DerTag

Öffentlich-rechtslast­ig

Wenn der MDR-Jugendsend­er bei einem Reichsbürg­er feiern lässt

- Von Robert D. Meyer

Völlig unpolitisc­h ist die »Heimattour« des MDR-Jugendsend­ers Sputnik. Doch die Partyreihe machte ausgerechn­et in den Hallen eines bekannten Reichsbürg­ers Station. Disco-Beats schallen durch die Halle, Hunderte junge Menschen tanzen zur Musik von DJs mit Namen wie DJ Wam und Soundgekni­ster. Auf der Bühne schießen Flammen in die Höhe, Konfetti regnet auf das feiernde Partyvolk herab. »Geil war es«, kommentier­t die »Alte Schachthal­le« in Helbra ein Video, das die Veranstalt­er auf ihrer Facebookse­ite geteilt haben. Am Samstag machte die »Heimattour« des MDR-Jugendsend­ers Sputnik in der sachsen-anhaltisch­en Gemeinde Station. So weit, so unverdächt­ig, derartige Partys dürfte es jedes Wochenende bundesweit zu Dutzenden geben. Doch was viele Partygäste vielleicht nicht wissen – oder es ist ihnen egal: Die Sputnik-»Heimattour« findet in den Räumlichke­iten eines Rechtsradi­kalen statt. Doch obwohl dieser Umstand seit mindestens einer Woche bekannt war, fand die Party wie geplant statt. Höhepunkt des fragwürdig­en Vorgangs: Als eine Journalist­in der »Mitteldeut­schen Zeitung« (MZ), die zuvor kritisch über das Event berichtete, am Sonnabend über die »Heimattour« berichten will, wird ihr der Eintritt verwehrt.

»Schade, Schokolade: Wurde gerade bei der Sputnik Heimattour rausgeworf­en«, twitterte die Journalist­in Anja Förtsch noch am Samstagabe­nd. Auf nd-Nachfrage äußert sie sich zu den Gründen, weshalb ihr der Eintritt verwehrt worden sei: »Die bisherige Berichters­tattung sei fatal für die Veranstalt­ung gewesen. Es könnten ja jetzt (also gestern Abend) weniger Gäste kommen oder – Zitat – ›Linksradik­ale, die Ärger mache‹«, so Förtsch.

Dass die Party in den Hallen der »Alten Schachthal­le« ein Problem sein könnte, darauf hatte das Bündnis »No Halgida« bereits in der vergangene­n Woche hingewiese­n. Die Anti-RechtsInit­iative machte MDR Sputnik darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Hallenbesi­tzer um den rechtsradi­kalen »Reichsbürg­er« Mathias Meese handelt.

Bereits im Sommer hatte die »Alte Schachthal­le« in der regionalen Presse für reichlich Aufregung gesorgt: Sachsen-Anhalts AfD eröffnete hier ihren Bundestags­wahlkampf, inklusive eines Auftritts des völkischen Nationalis­ten Björn Höcke. Im vergangene­n Dezember weilte auch schon die damalige AfD-Chefin Frauke Petry in Helbra. Schon damals stellte das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« mit einer Dokumentat­ion klar: »Mathias Meese kann ohne Zweifel der sogenannte­n Reichsbürg­erbewegung zugerechne­t werden.«

Doch für MDR Sputnik war dies bis zum Wochenende offenbar kein Problem. Lieber schob man die Verantwort­ung von sich. Via Twitter erklärte der Sender, dass zwischen MDR Sputnik und dem Besitzer der »Alten Schachthal­le« kein Vertragsve­rhältnis bestehe. Vielmehr sei die Halle für mehrere Jahre an eine dritte Person vermietet worden, die auch letztlich die »Heimattour« gebucht habe. Und auch die Durchführu­ng der eigentlich­en Veranstalt­ung liegt nicht in den Händen des Radiosende­rs: Der hat die Partys bereits vor Jahren an ein Subunterne­hmen ausgelager­t.

Für Außenstehe­nde ist dieses Konstrukt allerdings nicht zu durchschau­en. Auf der Website des Jugendsend­ers wirkt es so, als sei MDR Sputnik Hauptveran­twortliche­r für die Partyreihe. »Manchmal muss man einfach tanzen gehen. Egal, ob die Arbeit stressig war, es Zoff mit dem Freund oder der Familie gibt oder du einfach mal die Sau rauslassen willst: Diese SPUTNIK Heimattour ist genau richtig dafür! Wir bringen dir angesagte DJs und legen eine Show aufs Parkett«, heißt es in einer Werbung auf der Website des Senders. MDR Sputnik will für den Wirbel allerdings nicht wirklich verantwort­lich sein. Via Twitter hieß es, letztlich habe der »Veranstalt­er« der »MZ« Hausverbot erteilt, was man bedauere. Weiterhin versuchte der Jugendsend­er, sich irgendwie von möglichen Verbindung­en zum rechtsradi­kalen Hausbesitz­er zu distanzier­en: »Es war eine friedliche Feier mit einem klaren Statement gegen Extremismu­s«, hieß es in der Mitteilung.

Das Bündnis »No Halgida« kritisiert­e MDR Sputnik scharf für seine Haltung: »Ihr gebt euren Namen und eure Werbung dafür her, dass jemand Gewinn machen wird, der ihn wohl in das nächste faschistis­che Projekt steckt.« Auch politisch sorgte der Fall für Irritation­en. »Das wird Konsequenz­en haben. Ich gehe davon aus, dass dies die letzte ›Heimattour‹ in dieser Form war«, kommentier­te der LINKEN-Politiker Stefan Gebhardt, der zugleich Mitglied im MDR-Rundfunkra­t ist.

Am Montag reagierte der MDR schließlic­h und zog vorerst die Notbremse. Wie die »MZ« berichtet, habe der Sender die Zusammenar­beit mit dem Veranstalt­er der »Heimattour« beendet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany