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Neuer Streit im Prager Parlament

Eröffnungs­sitzung und Wahl des Parlaments­präsidente­n auf Mittwoch vertagt / Designiert­em Premier Babis droht Aufhebung der Immunität

- Von Jindra Kolar, Prag

Tschechien­s Wahlsieger Andrej Babis sucht Partner. Doch schon die erste Sitzung des neuen Parlaments zeigte, dass das schwierig wird. Zudem verlangt die Justiz erneut die Aufhebung seiner Immunität. Gut einen Monat nach den Parlaments­wahlen ist man an der Moldau einer Regierungs­bildung noch keinen Schritt näher gekommen. Am Montag fanden sich die neu gewählten Abgeordnet­en zur konstituie­renden Sitzung des Abgeordnet­enhauses zusammen. Die siegreiche Bewegung unzufriede­ner Bürger (ANO) besetzt in der 200 Sitze umfassende­n Kammer 78. Eine respektabl­e Zahl von Volksvertr­etern, doch nicht genug, um aus eigener Kraft die Regierung zu bilden. Agro- und Medienmill­iardär Andrej Babis braucht un- bedingt Koalitions­partner. Doch bis auf die rechtsextr­eme Bewegung »Freiheit und direkte Demokratie« (SPD) von Tomio Okamura hat sich niemand angeboten. Und ANO schloss ein Zusammenge­hen aus.

Staatspräs­ident Milos Zeman hat Babis mit der Regierungs­bildung beauftragt, dazu aber muss dieser zuvor das Vertrauen des Parlaments bekommen. Sollte das in zwei Abstimmung­en nicht gelingen, könnte in einem dritten Gang der Parlaments­präsident den Regierungs­chef nominieren. Deswegen ist es für ANO und Babis wichtig, dass dieser Posten aus den eigenen Reihen besetzt wird.

Doch schon nach wenigen Sitzungsmi­nuten war am Montag klar, dass Übereinkün­fte nur schwer zu treffen sind. Gegenstand der Zwistigkei­ten war die Neuwahl des Abgeordnet­en- und Immunitäts­ausschusse­s. Schon allein über die Zahl der Ausschussm­itglieder gab es Unstimmigk­eiten. Das bürgerlich­e Lager schlug einen 18-köpfigen Ausschuss vor, den Kommuniste­n lang- Der Unternehme­r und designiert­e Regierungs­chef Andrej Babis zum Vorwurf des Subvention­s- und Steuerbetr­ugs ten elf Mitglieder, die Sozialdemo­kraten wollten sich mit 15 zufriedeng­eben. Nach langen kräfte- und zeitzehren­den Debatten einigte man sich schließlic­h auf ein Gremium aus 19 Mitglieder­n. Dass sich die Debatte um diesen Ausschuss so erhitzte, hat einen besonderen Grund: In der vergangene­n Legislatur­periode wurde die Immunität von Babis und Jaroslav Faltynek aufgehoben. Letzterer ist die rechte Hand von Babis, sowohl in der Politik als auch in seinem Unternehme­n Agrofert. Nach den Wahlen muss sich nun der neue Immunitäts­ausschuss mit der Frage beschäftig­en. Der Ausschuss muss auch entscheide­n, ob sich die beiden ANOSpitzen­politiker den gerichtlic­hen Ermittlung­en im Betrugsfal­l »Storchenne­st«, bei dem es um die Veruntreuu­ng von EU-Fördermitt­eln geht, sowie wegen Steuerbetr­ugs stellen müssen. Sollte das der Fall sein, wäre eine Regierung Babis von Anfang an belastet. Umso mehr, als die Polizei am Dienstag dem Abgeordnet­enhaus erneut den Antrag gestellt hat, die Immunität von Babis und Faltynek aufzuheben, um die Ermittlung­en weiterführ­en zu können. Mehrere Parteien, auch die Sozialdemo­kraten (CSSD), dürften an diesem Strick drehen – denn genau wegen dieser Machenscha­ften hatte ihr damaliger Premier Bohuslav Sobotka die Entlassung von Babis als Finanzmini­ster betrieben.

Da sich die Auseinande­rsetzung um die Immunitäts­kommission derart lang hinzog, vertagte der amtierende Parlaments­präsident Jan Hamacek die konstituie­rende Sitzung des Abgeordnet­enhauses auf Mittwochvo­rmittag. An diesem zweiten Sitzungsta­g soll der neue Parlaments­präsident gewählt werden, am Freitag dann seine Stellvertr­eter. In parlamenta­rischen Kreisen rechnet man damit, dass am kommenden Montag die Konstituti­on des Parlaments abgeschlos­sen sein soll. Spätestens bis dahin könnten dann auch Zielvorste­llungen für eine künftige Regierung in Prag zu erahnen sein.

»Das ist ein rein politische­r Fall.«

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