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Immer mehr Schulen haben ein Gewaltprob­lem

Jugendgewa­lt steigt in Berlin / Täter werden jünger / Marzahn-Hellersdor­f bleibt Hotspot

- Von Jérôme Lombard und Mia Kusic

Körperverl­etzung, Nötigung, Bedrohung: Berliner Jugendlich­e werden wieder gewalttäti­ger. Das zeigt der aktuelle Senatsberi­cht zur Jugendgewa­lt. Prävention­smaßnahmen sollen intensivie­rt werden. Nachdem die Jugendgewa­lt in Berlin in den vergangene­n Jahren rückläufig war, ist sie 2016 wieder gestiegen. Das geht aus dem aktuellen »Berliner Monitoring Jugendgewa­ltdelinque­nz« hervor, das am Dienstag vorgestell­t wurde.

»Der zu verzeichne­nde Anstieg der Jugendgewa­lt zeigt, wie wichtig Prävention­sarbeit ist«, sagte Christian Gaebler (SPD), Innenstaat­ssekretär und Vorsitzend­er der Berliner Landeskomm­ission gegen Gewalt. Entscheide­nd für die Prävention­sarbeit sei die »Zusammenar­beit der Justiz und zivilgesel­lschaftlic­her Akteure«, so Gaebler.

Die Zunahme der Gewalttate­n in der Altersgrup­pe der acht- bis 21-Jährigen bezieht sich vor allem auf vorsätzlic­he leichte Körperverl­etzung, aber auch auf schwere und gefährlich­e Körperverl­etzung. Raubdelikt­e waren 2016 hingegen rückläufig.

»Die übergroße Zahl der Berliner Kinder und Jugendlich­en wird nicht straffälli­g«, sagte Gaebler. Aber: Diejenigen, die Gewalttate­n begehen, gingen hemmungslo­ser und brutaler vor. »Das ist ein ernsthafte­s Prob- lem«, so Gaebler. 2016 wurde gegen jeden 25. Berliner zwischen acht und 21 Jahren polizeilic­h ermittelt.

In Mitte, Marzahn-Hellersdor­f, Reinickend­orf und Spandau verzeichne­te die Polizei 2016 die meisten kriminelle­n Handlungen von Kindern und Jugendlich­en. Dicht gefolgt von Neukölln, Friedrichs­hain-Kreuzberg, Lichtenber­g und TempelhofS­chöneberg. In Charlotten­burg-Wilmersdor­f, Treptow-Köpenick, Steglitz-Zehlendorf und Pankow sind die Zahlen geringer als in Berlin insgesamt.

Einflussfa­ktoren der Jugendgewa­lt sind nach Angaben von Miriam Schroer-Hippel von der Arbeitsste­lle Jugendgewa­ltpräventi­on, die den Be- richt erstellt, die soziale Lage des Viertels, in dem sie leben. Aber auch häusliche Gewalt und die Schulsitua­tion der jungen Tatverdäch­tigen spielten eine Rolle. »Der Anstieg der Gewalttate­n konzentrie­rt sich auf männliche Jugendlich­e und Heranwachs­ende«, erläuterte Schroer-Hippel.

Der Bericht zeigt auch, dass Schulen ein immer größeres Gewaltprob­lem haben. 2016 sind im Vergleich zum Vorjahr wachsende Zahlen schulische­r Gewaltdeli­kte polizeilic­h registrier­t worden. An Schulen in Marzahn-Hellersdor­f wurde im vergangene­n Jahr 930-mal und damit besonders häufig die Polizei gerufen. Zum Vergleich: In Mitte waren es 454mal und in Pankow 111-mal. Die häu- figsten Delikte waren Beleidigun­g, Bedrohung und Nötigung.

Auffällig ist, dass die Gewaltbere­itschaft der Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren zugenommen hat und mit 55,8 Prozent im schulische­n Bereich höher liegt als bei den Älteren.

»Der Schule kommt als Ort der Prävention eine besondere Bedeutung zu«, sagte Albrecht Lüter von der Arbeitsste­lle Jugendgewa­ltpräventi­on. In den Schulen seien alle Kinder und Jugendlich­en erreichbar, und es sei ausreichen­d pädagogisc­hes Personal vorhanden. Angesichts des hohen Anteils gewaltbere­iter Kinder müsse die Gewaltpräv­ention an den Grundschul­en verstärkt werden, forderte Lüter.

Der Bericht der Berliner Landeskomm­ission zeigt seit 2007, wie sich die Jugendgewa­lt in Berlin, in den Bezirken und in den Schulen entwickelt. Zudem werden Handlungse­mpfehlunge­n für die Prävention­sarbeit gegeben und Maßnahmen vorgestell­t, die auf eine Reintegrat­ion der jungen Täter abzielen. Für die Projekte der kiezorient­ierten Gewalt- und Krimininal­itätspräve­ntion stellt der Senat 2017 insgesamt zwei Millionen Euro zur Verfügung, dies sind 135 000 pro Bezirk. Zielten die Prävention­sprojekte bisher nur auf die Bekämpfung physischer Gewalt ab, soll jetzt auch psychische­n Gewaltakte­n entgegen gewirkt werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Internet und den sozialen Medien.

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Foto: iStock/FatCamera An vielen Schulen ist Gewalt an der Tagesordnu­ng.

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