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Popstars sollen Vorpommern retten

Staatssekr­etär sponsert Auftritte von Anastacia und Adel Tawil aus regionalem Förderfond­s

- Von Hagen Jung

Als Patrick Dahlemann 2016 zum »Kümmerer« für Vorpommern berufen wurde, gab es an diesem Amt sofort Kritik. Jetzt gibt es neuen Ärger – wegen der Verwendung von Landesgeld­ern. »Brot und Spiele«, also auch Vergnügen braucht das Volk, hieß es im alten Rom, und diesem Motto folgt auch Patrick Dahlemann, eigens für die Belange der Menschen in Vorpommern eingesetzt­er Staatssekr­etär. Vergnügen beschert der 29-Jährige den Freundinne­n und Freunden leichter Muse, indem er das Erscheinen von Popgrößen in seinem Amtsbereic­h subvention­iert, zum Beispiel im Juni ein Konzert des US-Stars Anastacia in Greifswald und im August den Auftritt des nicht minder prominente­n deutschen Sängers Adel Tawil in Wolgast.

Solch große Namen haben ihren Preis, aber das ist für den Staatssekr­etär offenbar keine Hürde, wenn es gilt, das ihm anvertraut­e Volk zu bespaßen. Will er dazu doch 2018 rund 30 000 Euro aus dem Vorpommern­Fonds, also aus Steuergeld­ern, locker machen. Den gleichen Betrag hat er bereits im laufenden Jahr für klangvolle Massenunte­rhaltung ausgegeben, etwa für Konzerte von Matthias Reim in Greifswald und Sarah Connor in Wolgast.

Der Topf, aus dem Dahlemann das Sponsoring finanziert, ist vom Land 2017 mit zwei Millionen Euro als Fonds gefüllt worden, um »die wirtschaft­liche, soziale und kulturelle Entwicklun­g« in Vorpommern zu fördern und »den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt sowie die regionale Identität« dort zu stärken. 2018 soll der Fonds drei Millionen Euro umfassen. Dass der SPD-Mann die Popstar-Auftritte aus diesem Topf subvention­iert, hat erneut Kritik an der Position des Staatssekr­etärs ausge- löst, die schon seit ihrer Einrichtun­g umstritten ist.

Geschaffen hatte sie der frühere Ministerpr­äsident Erwin Sellering (SPD) gleich nach der Landtagswa­hl im Herbst 2016. Es gebe bei manchen in Vorpommern das Gefühl, abgehängt zu sein, konstatier­te der wegen seiner Krankheit im Mai zurückgetr­etene Regierungs­chef seinerzeit. Das sei der Grund dafür gewesen, auf Vorschlag des Koalitions­partners CDU erstmals in der Geschichte des Landes einen Parlamenta­rischen Staatssekr­etär für Vorpommern zu berufen. Dieser solle »Kümmerer vor Ort und ein zusätzlich­er Ansprechpa­rtner für die Akteure sein«.

So manche dieser »Akteure«, leitende Kommunalpo­litiker etwa, runzelten jedoch die Stirn. Ihnen gefiel es gar nicht, dass sie ihre Probleme nun nicht mehr direkt dem Ministerpr­äsidenten oder seinen Ministern vortragen sollten, sondern »nur« einem Staatssekr­etär.

In diesem mag Sellering, wenn er es auch nicht aussprach, vermutlich so etwas wie eine »Geheimwaff­e« gegen die AfD gesehen haben, die gerade in Vorpommern bei der Landtagswa­hl im Herbst vergangene­n Jahres gute Ergebnisse einfuhr. Gleich drei Direktmand­ate holte sich die AfD dort, und landesweit wurde sie mit 20,8 Prozent der Stimmen zweitstärk­ste Kraft im Schweriner Schloss.

Hatten so viele Menschen in Vorpommern rechts gewählt, weil sie sich wirklich »abgehängt« fühlten? »Küm- merer« Dahlemann schien für die SPD/CDU-Landesregi­erung der richtige Mann zu sein, gegen solch negatives Empfinden im östlichen Landesteil etwas zu tun. Immerhin war es dem zweifellos sehr aktiven Politiker nach intensivem Wahlkampf gelungen, bei der Landtagswa­hl in der CDUHochbur­g Uecker-Randow den Unionskand­idaten zu überholen und dort für die Sozialdemo­kraten das Direktmand­at zu ergattern.

Doch Abkehr vom Weg nach rechts konnte der »Kümmerer« viele Wähler bislang wohl kaum bewegen. Auch zehn Monate nach seiner Einsetzung, bei der Bundestags­wahl, blieben viele Vorpommern der AfD treu, bescherten ihr stellenwei­se herausrage­nde Zahlen. So erhielten die Rechtspopu­listen beispielsw­eise im gesamten Wahlbezirk Vorpommern-Greifswald 23 Prozent, in Wolgast 31,3 und in Garz auf Usedom gar 44 Prozent der Wählerstim­men.

Doch nicht nur deswegen wird das Amt des Vorpommern-»Kümmerers« hier und dort zweifelnd betrachtet, sondern auch wegen des finanziell­en Aufwandes für diese Einrichtun­g in der Staatskanz­lei. Personal- und Sachkosten für Dahlemann und seinen Stellvertr­eter summieren sich jährlich auf rund 610 000 Euro, ergab eine parlamenta­rische Anfrage der opposition­ellen LINKEN an die Landesregi­erung.

Aktuell steht nun die Subvention der Popkonzert­e im Fokus der Kritik. »Mit nachhaltig­er Strukturfö­rderung hat das nichts zu tun«, zitiert die »Schweriner Volkszeitu­ng« den Präsidente­n des Steuerzahl­erbundes, Reiner Holznagel. Kommerziel­le Veranstalt­ungen müssten sich selbst tragen, bekräftigt er. Zehntausen­de Euro, so der Geldwächte­r weiter, würden für Schlagerst­ars ausgegeben, während Mittel für Kindertage­sstätten und Schulen fehlten. Die Richtlinie­n für die Vergabe der Fördergeld­er aus dem Vorpommern­Fonds müssten auf den Prüfstand, fordert Holznagel.

Kritik erntet Dahlemann wegen seiner Unterstütz­ung der Veranstalt­ungen auch von der LINKEN. Das Geld könnten lokale Kulturproj­ekte eher gebrauchen als »die Großverdie­ner des Musikgesch­äftes« , meint Eva Maria Kröger, kulturpoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion.

Das Geld könnten lokale Kulturproj­ekte eher gebrauchen als »die Großverdie­ner des Musikgesch­äfts«, sagt Eva Maria Kröger (LINKE).

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Foto: dpa/Ina Fassbender Soll dem »Kümmerer« helfen: Anastacia aus den USA

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