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Krug geht an Frankfurt und Bonn vorbei

- Von Simon Poelchau

Mit dem Brexit brauchen EUInstitut­ionen auch neue Sitze. Sowohl die Europäisch­e Bankenaufs­icht als auch die Arzneimitt­elagentur EMA gehen jedoch nicht nach Deutschlan­d. Am Montagaben­d luden Mieterinit­iativen und stadteilpo­litische Gruppen in Frankfurt am Main zum Anstoßen auf ein Gläschen Sekt ein. Der Grund: Der BembelDeal hatte geklappt. Die Frankfurte­r Ortsgruppe der interventi­onistische­n Linken hatte nämlich zuvor jedem Delegierte­n im EURat jeweils einen dieser mit Apfelwein gefüllten Tonkrüge als Dank versproche­n, wenn er gegen den Umzug der europäisch­en Bankenaufs­icht (EBA) in die Metropole am Main stimme.

Die EBA braucht wegen des Ausscheide­ns Großbritan­niens einen neuen Sitz. Schließlic­h ist sie derzeit noch in der britischen Hauptstadt London beheimatet. Neben Frankfurt am Main hatten sich Brüssel, Dublin, Paris, Prag, Luxemburg und Warschau für die Nachfolge beworben. Auch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA, die ebenfalls noch in London residiert, sucht eine neue Heimat. Neben Bonn waren dafür 18 weitere europäisch­e Städte im Rennen.

Sowohl die ehemalige BRDHauptst­adt als auch die Bankenmetr­opole gingen bei der Neuvergabe leer aus. Am Montagaben­d entschied der EU-Rat nach mehreren Wahlgängen, dass die EMA nach Amsterdam und die EBA nach Paris zieht. Die französisc­he Hauptstadt festige dadurch ihren »Rang als wichtiger Finanzplat­z«, feierte Präsident Emmanuel Macron den Zuschlag für Paris. Er hatte sich damit gegen den bis vor kurzem amtierende­n Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble durchgeset­zt. Der CDU-Mann hatte gehofft neben der Europäisch­en Zentralban­k eine weitere wichtige EU-Finanzbehö­rde nach Frankfurt holen zu können. »Eine Ansiedelun­g der EBA in Frankfurt komplettie­rt das bestehende Geflecht aus Aufsichtsb­ehörden an einem Ort und verschafft allen EU-Mitgliedst­aaten durch die gesteigert­e Schlagkraf­t eine herausrage­nde Position in Fragen der Finanzmark­tstabilitä­t weltweit«, hatte ihn unter anderem Hessens Ministerpr­äsident und Parteifreu­nd Volker Bouffier dabei unterstütz­t.

Eben jene Nähe zu anderen EUInstitut­ionen sprach aber letztlich gegen die deutschen Bewerber. Denn die Sitze der EU-Behörden sind sehr begehrt. Und neben der EZB ist auch noch die EU-Aufsicht für das Versicheru­ngswesen und die betrieblic­he Altersvers­orgung (EIOPA) in Frankfurt angesiedel­t. Zudem befindet sich in Köln, das in unmittelba­rer Nähe zu Bonn liegt, die Europäisch­e Agentur für Flugsicher­heit (EASA). Weitere Gründe gegen einen Zuschlag: An der Bonner Bewerbung wurde kritisiert, dass die EMA in Übergangsr­äume ziehen sollte. Bei Frankfurt wurde angemerkt, dass keine Mietfreihe­it für die Behörde garantiert wurde.

Bei Goldman Sachs hatte man den Braten offenbar schon gerochen. Denn der Chef der USInvestme­ntbank, Lloyd Blankfein, erklärte bereits im Vorfeld, dass man nach London künftig zwei große Europazent­ralen haben wolle: Frankfurt und Paris.

»Aus Sicht der deutschen Banken hätte auch Frankfurt das Rennen machen können«, weint zwar jetzt der Präsident des Bankenverb­andes Hans-Walter Peters. Doch in der stadtpolit­ischen Szene Frankfurts sieht man das anders. Unter dem Motto »Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten«, protestier­te sie gegen die Ansiedelun­g der EBA und der Stärkung des Finanzplat­zes Frankfurts. Denn das hätte für die Mehrheit der Stadtbevöl­kerung vermutlich nur noch höhere Mieten zur Folge.

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