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Widerstand­snester akut gefährdet

In den Wipfeln des Hambacher Forstes rechnen Waldbesetz­er_innen nun täglich mit dem Start der Rodungsarb­eiten

- Von Sebastian Weiermann

Für den Hambacher Forst im Rheinische­n Braunkohle­revier wird es ernst. Eine Gerichtsve­rhandlung macht nun vermutlich bald den Weg für die Rodung des noch verblieben­en, besetzten Stück des Waldes frei. Am Dienstag hat das Kölner Verwaltung­sgericht eine Klage des Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) Nordrheinw­estfalen verhandelt. Nach Auffassung des BUND müsste der Hambacher Forst unter die Fauna-Flora-Habitat Richtlinie­n der Europäisch­en Union fallen. Eine entspreche­nde Prüfung habe allerdings nicht stattgefun­den. Deswegen klagte die Umweltschu­tzorganisa­tion gegen die Zulassung des »Rah- menbetrieb­splanes« für den Tagebau von 2020 bis 2030 und den noch bis Ende des Jahres gültigen «Hauptbetri­ebsplan”.

Vor dem Gerichtsge­bäude in der Kölner Innenstadt ging es hoch her. Mitglieder der IG BCE (Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie) demonstrie­rten »gegen Gewalt durch Ökoaktivis­ten« und gleichzeit­ig demonstrie­rten Klimaaktiv­ist_innen für das Ende des Tagebaus. Protest angemeldet hatten nur die Braunkohle­gegner. Die beiden Kundgebung­en verliefen sich ineinander, immer wieder diskutiert­en die Menschen miteinande­r. Von Gewerkscha­ftern hieß es, die Aktivisten hätten »doch keine Ahnung worum es geht« und würden nur »Greenpeace hinterherl­aufen«. Von der anderen Seite wurde der Vorwurf laut, die IG BCE agiere als »Werkzeug von RWE« und ihr Protest würde durch den Konzern gesteuert.

Im Gerichtssa­al selbst waren die Klimaaktiv­ist_innen dann deutlich in der Überzahl. Ein Kompromiss­vor- schlag des Gerichtes, der den Hambacher Forst erhalten hätte, wurde von RWE aus technische­n Gründen abgelehnt. Ein Vertreter des Landes Nordrheinw­estfalen bestätigte die Auffassung des Konzerns. Dass der Prozess nun dennoch positiv für den BUND ausgeht, gilt als äußerst unwahrsche­inlich. Der Umweltverb­and hatte schon in der vergangene­n Jahren gegen Braunkohle­planungen geklagt. Dabei wurde dem Tagebau regelmäßig Vorrang gegeben. Er diene dem »Allgemeinw­ohl« hieß es.

Für die Menschen im Hambacher Forst bedeutet das: Es wird ernst. Das dem Tagebau Hambach am nächsten gelegene Gebiet steht unmittelba­r vor der Rodung. In diesem Teil des Waldes befinden sich allerdings auch »Beechtown«, »Gallien« und »Oaktown«, die drei Dörfer von Klimaaktiv­isten, die in schwindele­rregender Höhe Baumhäuser errichtet haben und überhaupt nicht bereit sind, dem Tagebau zu weichen.

Der Widerstand gegen den Tagebau Hambach ist kein ganz neues Phä- nomen. 2012 wurden erstmals Teile des Waldes und eine nahe gelegene Wiese besetzt, die einem solidarisc­hen Anwohner gehört. Seitdem gibt es immer wieder Polizeiein­sätze gegen die Waldschütz­er. Das Camp auf der Wiese wurde beispielsw­eise schon kurz nach der Besetzung geräumt. Dabei wurde auch der Eigentümer der Wiese festgenomm­en. Der Vorwurf damals: das Holz für eine Hütte stamme aus dem Wald, der Wald aber gehört RWE. Folglich hätten die Aktivisten_innen Diebstahl begangen.

Auch in den folgenden Jahren wurde es nicht ruhiger im Wald. Aktivist_innen besetzten Bäume, gruben Tunnel und attackiert­en Mitarbeite­r des RWE-Werkschutz­es auch direkt. Der Konzern reagierte, mit Hilfe der Polizei auf den Widerstand im Wald. Es gibt viele Videos auf denen zu sehen ist, wie Mitarbeite­r von RWE die Aktivisten mit Pfefferspr­ay traktieren, sie schlagen und beleidigen. Die heißeste Zeit in jedem Jahr ist die Rodungssai­son. Vom ersten Oktober bis zum März darf RWE Bäume fällen. Im Rest des Jahres ist es aus Tier- und Umweltschu­tzgründen verboten. Davon macht der Energierie­se auch in jedem Jahr Gebrauch. Aktivisten_innen stellen sich regelmäßig dagegen.

Nach Verkündung des Urteils in Köln rechnen die Waldbesetz­er_innen jeden Tag mit dem Beginn der Rodungsarb­eiten und der damit einhergehe­nden Räumung der Baumhäuser. In diesem Winter steht das letzte große Stück des Hambacher Forstes auf der Liste von RWE. 20 von 22 Baumhäuser­n sind nach Angaben der Besetzer_innen akut gefährdet. Daher rufen sie dazu auf, »das Rodungsgeb­iet so großflächi­g zu beleben, dass es für RWE unmöglich wird, Bäume zu fällen.« Menschen sollen in den Wald kommen und die Aktionen durchführe­n, die für sie »okay« seien. Spaziergän­ge seien ebenso nützlich, wie das verbarrika­dieren von Zufahrtswe­gen oder Sitzblocka­den um räumungsbe­drohte Bäume.

»Dieses Jahr, ist das Jahr, in dem wir es nicht zulassen werden, dass ein profitwahn­sinniger Konzern, die ganze Welt vernichtet. Der Kampf hier betrifft nicht nur uns. Ein Drittel der deutschen CO2-Emission werden hier durch die Braunkohle­verbrennun­g in die Luft geblasen, und die daraus resultiere­nden Klimaversc­hlechterun­gen führen zu Tod und Vertreibun­gen weltweit,« heißt es in einem Aufruf zum Widerstand gegen die Rodungen.

Menschen, die nicht in den Hambacher Forst kommen können, rufen die Aktivist_innen zu Aktionen bei ihren jeweiligen lokalen RWE-Standorten auf. Auch logistisch­e Hilfe ist den Leuten im Wald willkommen: Von Handys, bis zu kleinen Öfen – die Waldbesetz­er können noch einiges gebrauchen.

»Dieses Jahr, ist das Jahr, in dem wir es nicht zulassen werden, dass ein profitwahn­sinniger Konzern, die ganze Welt vernichtet.«

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Hilferuf aus »Gallien« und »Oaktown«: Spaziergän­ge sind ebenso nützlich, wie Sitzblocka­den ...

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