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Status »Queer«: Stand einer weltweiten Bewegung

Ein neuer Band analysiert verschiede­ne Strategien im Streit um die Rechte von Homosexuel­len sowie Inter* und Trans*personen

- Von Katja Anton Cronauer

Die queere Bewegung konnte jüngst nicht nur in Deutschlan­d Erfolge verbuchen. Woanders mussten die Aktivist_innen Rückschläg­e einstecken. Vorliegend­er Band betrachtet diverse Länderbeis­piele. Dieses Jahr wurde endlich auch in Deutschlan­d die Ehe für alle ermöglicht. Und das Bundesverf­assungsger­icht hat entschiede­n, dass die derzeitige Regelung zum Geschlecht­seintrag verfassung­swidrig ist. Bis Ende 2018 muss der Gesetzgebe­r entscheide­n, ob gar kein Geschlecht­seintrag vorgeschri­eben oder eine dritte Option geschaffen wird. Allmählich werden also Fortschrit­te erzielt.

Doch können wir davon ausgehen, dass das so weitergeht? Die queere Bewegung hat auch immer wieder Rückschläg­e erlitten. In den 1920ern war Berlin so liberal, dass die Stadt Schwule, Lesben und Transgende­rmenschen aus der ganzen Welt anzog. Dann setzte die Verfolgung durch die Nazis ein, und auch danach wurde Homosexual­ität lange kriminalis­iert, ganz zu schweigen von der bis heute andauernde­n Pathologis­ierung von Trans*- und Inter*menschen. Auch in anderen Ländern wechselten Erfolge mit Rückschläg­en, wie in der Neuerschei­nung »Queer Wars: Erfolge und Bedrohunge­n einer globalen Bewegung« nachzulese­n ist.

Das Buch gibt differenzi­erte Einblicke in queere Menschenre­chte – also Menschenre­chte für homo- und bisexuelle Personen sowie Menschen, deren physisches Geschlecht und/oder deren Geschlecht­sidentität nicht in die Raster Mann oder Frau passt.

Die Autoren Dennis Altman und Jonathan Symons berichten von Situatione­n in verschiede­nen Ländern, die in den Medien gar nicht oder nur ansatzweis­e thematisie­rt werden. Zwar liegt der Fokus des Buches auf Homosexuel­lenrechten, doch nimmt es auch immer wieder Bezug auf se- xuelle Rechte allgemein sowie die Gleichstel­lung aller Geschlecht­er.

Die Autoren zeichnen die internatio­nale Bedeutung nach, die Homosexuel­lenrechte in den letzten Jahrzehnte­n gewonnen haben. Die Autoren nehmen sich sechs Länderbeis­piele vor, anhand derer sie unterschie­dliche Wege zu mehr Akzeptanz und mehr Rechten analysiere­n. Sie betrachten dabei jeweils das Zusam- menwirken von Politik, Kultur und Aktivismus.

Ebenso diskutiere­n sie anhand mehrerer Länder den Gegenschla­g, den die queere Bewegung dort erfahren hat. Sei es, dass dieser vom World Congress of Families, (»Weltfamili­enkongress«, US-Verband für die internatio­nale Verbreitun­g christlich­er Werte) betrieben wird, der unter anderem mit Dumaabge- ordneten enge Bündnisse eingegange­n ist, um in Russland eine homosexuel­lenfeindli­che Gesetzgebu­ng voranzutre­iben. Oder wie während der Ebolaepide­mie 2014 durch religiöse Oberhäupte­r in Liberia. Diese behauptete­n, Ebola sei die Strafe Gottes für die Akzeptanz von Homosexual­ität, woraufhin homophobe Übergriffe und polizeilic­he Repression in mehreren westafrika­nischen Ländern zunahmen, selbst in solchen, in denen der queeren Szene ein, wenn auch limitierte­r, Platz eingeräumt worden war.

Und trotz vieler hart erkämpfter Erfolge werden queere Menschen auch in Deutschlan­d weiterhin diskrimini­ert und angegriffe­n. So hat es nicht nur in Berlin in den letzten Jahren immer wieder Übergriffe auf Homosexuel­le und Trans*menschen gegeben.

Die Analysen verschiede­ner Strategien im Kampf um queere Rechte ist sicher nützlich für viele Aktivist*innen. Das Buch eignet sich aber auch – im Gegensatz zu vielen Sachbücher­n, von denen die Autor _innen oder herausgebe­nden Verlage dies behaupten – für Nichtfachl­eute. Es liest sich flüssig und einfach, ohne flach zu wirken. Zwar gibt es einige wenige Stellen, an denen eine weiterführ­ende Erklärung schön gewesen wäre, dies hindert aber weder den Lesefluss noch das Verständni­s. Unbedingt zu empfehlen.

Dennis Altman, Jonathan Symons: Queer Wars. Erfolge und Bedrohunge­n einer globalen Bewegung. Verlag Klaus Wagenbach, 2017, 160 S., 18,– €.

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Foto: AFP/Andrej Isakovic Regiert von einer offen lesbischen Ministerpr­äsidentin: Gay Pride Parade in Belgrad/Serbien 2017

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