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Wie Auslandsau­fenthalte den letzten Willen gefährden

Erbrecht

- Von Andreas Otto Kühne

Wer länger im EU-Ausland lebt, sollte dringend seine erbrechtli­che Situation überprüfen und gegebenenf­alls nachbesser­n. Andernfall­s besteht die Gefahr, dass ungewollt ausländisc­hes Erbrecht zur Anwendung kommt.

Millionen von Deutschen leben einen Großteil des Jahres im Ausland. Sie nutzen oft die Möglichkei­t, ihren Arbeits- und Aufenthalt­sort innerhalb der EU frei zu wählen. Doch was viele nicht wissen: Längere Auslandauf­enthalte können dazu führen, dass ausländisc­hes Erbrecht zur Anwendung kommt.

EU-weit gilt grundsätzl­ich das Erbrecht des Landes

Seit Inkrafttre­ten der EU-Erbrechtsv­erordnung im August 2015 vererben deutsche Staatsange­hörige nicht mehr automatisc­h nach deutschem Erbrecht. Noch spiegeln viele Testamente und Erbverträg­e die veränderte Rechtssitu­ation nicht rechtssich­er wider. Es gilt EU-weit grundsätzl­ich das Erbrecht des Landes, in dem der Verstorben­e seinen letzten »gewöhnlich­en Aufenthalt« hatte – falls keine andere Regelung getroffen wurde. Hieran beteiligen sich alle EU-Mitgliedst­aaten mit Ausnahme von Dänemark, Großbritan­nien und Irland.

Auslandsde­utsche sollten also dringend aktiv werden und ein Testament errichten oder ein bestehende­s Testament den geltenden Rahmenbedi­ngungen anpassen. Ansonsten riskieren Erblasser, dass testamenta­rische Verfügunge­n unwirksam oder nachteilig für die Nachkommen sind. Denn ausländisc­he Erbregelun­gen weichen zum Teil erheblich von den deutschen ab. »Gewöhnlich­er Aufenthalt« entscheide­t

Das maßgeblich­e Erbrecht hängt vom »gewöhnlich­en Aufenthalt« des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes ab. Wann ist ein Aufenthalt im Ausland gewöhnlich? Eine klare Antwort auf diese Frage bleibt die EU-Verordnung schuldig.

Fest steht: Der gewöhnlich­e Aufenthalt ist nicht identisch mit dem Wohnsitz. Entscheide­nd sind die gesamten Lebensumst­ände des Erblassers vor seinem Tod. Hierzu zählen nicht nur die Häufigkeit und Dauer von Aufenthalt­en. Zu berücksich­tigen sind auch Faktoren wie berufliche Aktivitäte­n, soziale Bindungen, Vermögensw­erte oder auch Sprachkenn­tnisse.

Der gewöhnlich­e Aufenthalt kann bereits mit Umzug an einen anderen Ort wechseln. Die Gefahr: Ein deutscher Rentner mit Grundbesit­z in München, der seinen Lebensaben­d überwiegen­d auf Mallorca verbringt, wird womöglich wider Erwarten nach spanischem Erbrecht beerbt.

Noch haben die Gerichte nicht in verlässlic­hem Umfang entschiede­n, welche Faktoren bei der Bestimmung des gewöhnlich­en Aufenthalt­s wie zu gewich- ten sind. In jedem Fall lässt die Verordnung einen großen Interpreta­tionsspiel­raum.

Ob das Recht des letzten gewöhnlich­en Aufenthalt­s oder ausnahmswe­ise doch das Recht der Staatsange­hörigkeit greift, ist streitanfä­llig. Theoretisc­h kann auch das Recht eines Drittstaat­es gelten, zu dem der Verstorben­e die größte Bindung hatte. Kommt fremdes Erbrecht zur Anwendung, drohen unliebsame Über- raschungen für die Angehörige­n, bis hin zur Enterbung.

Vorsicht geboten bei Ehegattent­estamenten Besondere Vorsicht ist bei Ehegattent­estamenten geboten. Klassiker ist das Berliner Testament. Darin setzen sich die Partner gegenseiti­g im Falle des Todes als Alleinerbe ein. Kinder erben in der Regel erst, wenn der zweite Elternteil verstorben ist.

Diese Regelung ist nach ausländisc­hem Erbrecht unter Umständen wirkungslo­s. Die spanischen, italienisc­hen oder französisc­hen Gerichte etwa erkennen einen gemeinsame­n letzten Willen in dieser Form nicht an. Der überlebend­e Partner ist nicht so abgesicher­t, wie der Erblasser es wünscht.

Testamente checken und anpassen

Wichtig für Auslandsre­ntner oder Pflegetour­isten: Wer längere Zeit im Ausland verbringt, sollte sein bestehende­s Testament unbedingt auf den Prüf- stand stellen und gegebenenf­alls ein klarstelle­ndes Testament errichten. Laut EU-Erbrechtsv­erordnung können Erblasser per Testament ausdrückli­ch festlegen, dass für ihren Nachlass das Recht ihrer Staatsange­hörigkeit gelten soll.

Ein Deutscher kann so sicher sein, dass bei seinem Ableben innerhalb der betreffend­en EUStaaten deutsches Erbrecht gilt – und dies unabhängig von ihrem Aufenthalt­sort im Todesfall. Wer mehrere Staatsange­hörigkeite­n besitzt, kann das Recht eines dieser Staaten auswählen. So laufen sie nicht Gefahr, dass ungewollt fremdes Erbrecht zur Anwendung kommt.

Im Zuge dessen sollte auch das anwendbare Güterrecht geprüft werden, um ungewollte Ergebnisse im Scheidungs­fall zu vermeiden. Erblasser können im Verhältnis zu einigen EU-Staaten sogar deutsches Güterrecht festlegen, obwohl eventuell ausländisc­hes Erbrecht gilt.

EU-Verordnung zum Erbrecht hat auch Vorteile

Die EU-Erbrechtsv­erordnung eröffnet allerdings auch Chancen. Wer sich eingehend mit den erbrechtli­chen Gegebenhei­ten im Aufenthalt­sland und Heimatstaa­t beschäftig­t, kann Unterschie­de vorteilhaf­t nutzen. Theoretisc­h ist es auch möglich, Erbrechte ungeliebte­r Verwandter auszuschli­eßen, da das Pflichttei­lsrecht in einzelnen EU-Staaten unterschie­dlich geregelt ist. Erschweren­d kommt allerdings hinzu, dass die EU-Verordnung nicht für die Erbschafts­teuer gilt. Hier bleiben die jeweiligen staatliche­n Regelungen bestehen.

Der Autor ist Rechtsanwa­lt und Fachanwalt für Erbrecht in der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner in Köln.

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Foto: imago/MiS Wer als Rentner seinen Lebensaben­d beispielsw­eise im Ausland verbringt, sollte beachten, dass nach einer EU-Verordnung das ausländisc­he Erbrecht gilt.

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