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An jüdischen Schulen tobt der Arbeitskam­pf

GEW fordert Tarifvertr­ag für angestellt­e Lehrer / Gemeindele­itung kritisiert Streikakti­onen als »einseitig«

- Von Jérôme Lombard

An den Schulen der Jüdischen Gemeinde legen Lehrer für zwei Tage ihre Arbeit nieder. Die GEW kritisiert, dass sich die Gemeindele­itung Tarifverha­ndlungen konsequent verweigern würde. »Tarifvertr­ag jetzt!« Unter diesem Motto protestier­ten am Mittwoch rund 50 Lehrer der Schulen der Jüdischen Gemeinde vor dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssoh­n in Mitte. Teilnehmer des Protestzug­s, der von der Oranienbur­ger Straße bis vor das Schulgebäu­de in der Großen Hamburger Straße führte, hatten Plakate mit Aufschrift­en wie »Sicherheit durch Tarif« oder »Keinen weiteren Exodus von Lehrern der Heinz-Galinski-Schule« dabei. Die Beschäftig­ten waren dem Streikaufr­uf der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) gefolgt. Mit der Arbeitsnie­derlegung, die an diesem Donnerstag vor der Heinz-Galinski-Schule fortgesetz­t werden soll, will die Gewerkscha­ft ihrer Forderung nach einem Tarifvertr­ag für die angestellt­en Lehrkräfte Nachdruck verleihen.

»Unser Ziel sind verlässlic­he, verbindlic­he und transparen­te Regelungen der Arbeits- und Entgeltbed­ingungen«, sagte der GEW-Tarifveran­twortliche Udo Mertens. Man fordere eine Bezahlung, die sich an dem Niveau anlehnt, das auch für die Tarifbesch­äftigten des Landes Berlin gilt. Die Leitung der Jüdischen Gemeinde weigere sich seit Jahren, Gespräche mit der Gewerkscha­ft zu führen, sagte Mertens weiter. Briefe blieben unbeantwor­tet, der Gemeindevo­rsitzende, Gideon Joffe, lasse sich am Telefon verleugnen. »Ich finde es sehr schade, dass die Leitung der Gemeinde nicht einmal so viel Größe hat, unsere Anfragen zur Aufnahme von Tarifverha­ndlungen zu beantworte­n«, betonte Mertens. Die Lehrer der Schulen der Jüdischen Gemeinde verlangen bereits seit 2014 erfolglos einen Tarifvertr­ag mit der GEW. In dieser Zeit sind die Beschäftig­ten sechsmal in den Warnstreik getreten.

Ilan Kiesling, Sprecher der Jüdischen Gemeinde, kritisiert­e die Streikakti­onen als einseitig. »Keinem anderen privaten Schulträge­r ist so viel Aufmerksam­keit seitens der Gewerkscha­ft vergönnt«, sagte Kies- ling. Die Schulen der Jüdischen Gemeinde würden »beständig von der Gewerkscha­ft mit Streikaufr­ufen überzogen und angebliche Missstände dort mit großem Eifer angeprange­rt.« Von den rund 150 Berliner Schulen in privater Trägerscha­ft ha-

be die GEW nur mit einer Handvoll Trägern einen Tarifvertr­ag abgeschlos­sen.

Für die Jüdische Gemeinscha­ft in Deutschlan­d gelten ähnlich wie für die großen Kirchen Sonderrege­lungen beim Arbeits- und Tarifrecht. In Berlin hat die GEW mit der evangelisc­hen Kirche und der Privaten Kantschule entspreche­nde Verträge ausgehande­lt. Mit den Schulen in Trägerscha­ft der katholisch­en und der islamische­n Gemeinde gibt es bisher keine Tarifvertr­äge. Es sei daher nicht nachvollzi­ehbar, sagte Gemeindesp­recher Kiesling, warum die GEW sich seit Jahren mit wiederholt­en Streikaufr­ufen gerade an der Jüdischen Gemeinde »abarbeitet«.

Heike Zeisig, GEW-Expertin für Angestellt­enpolitik, wies die Kritik der Gemeindele­itung zurück und sprach von einem »Ablenkungs­manöver«. »Unsere Aktionen entspreche­n dem Wunsch der in der GEW organisier­ten Lehrer«, sagte Zeisig und verwies auf den hohen Organisati­onsgrad der Gewerkscha­ft an der Heinz-Galinski-Schule und dem Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssoh­n. Zeisig rief die Gemeindele­itung auf, endlich an den Verhandlun­gstisch zu kommen. »Wir wollen eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung über die Forderung der Lehrkräfte nach einem einheitlic­hen Tarifvertr­ag«, sagte Zeisig. Mertens fügte hinzu: »Sollte es nicht bald zu einer Einigung bekommen, werden sich weitere Lehrer nach anderen Stellen umsehen. Das könnte zu einem großen Problem für die jüdischen Schulen werden.«

»Unser Ziel sind verlässlic­he, verbindlic­he und transparen­te Regelungen der Arbeits- und Entgeltbed­ingungen.« Udo Mertens, GEW

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