Die falsche Freundin vorgeführt
Bayerns Behörden schalten im Kampf gegen die Droge Crystal Meth auf Prävention um
Die Droge Crystal Meth stellt Bayern vor besondere Herausforderungen, vor allem in den grenznahen Regionen. Eine neue Kampagne der Staatsregierung soll gegensteuern – mit Prävention statt Repression. Am Ende liegt alles in Trümmern. Verzweifelt lehnt die junge Schwangere in den Armen ihrer Freundin, weint vor Schock und Entsetzen. Kurz zuvor haben ihr die Ärzte mitgeteilt, dass ihr Baby schwer krank ist — eine erschütternde Nachricht, die das scheinbare Glück jäh zerstört hat. Dabei hatte ursprünglich alles so harmlos angefangen, so normal und unscheinbar. Gelähmt durch den Stress in der Universität fühlte sich die Frau kraftund antriebslos, war überfordert und ausgelaugt. Da erschien es ihr zunächst wie eine Rettung zur rechten Zeit, als ihre vermeintliche Freundin auftauchte.
Bei der jungen Frau führte deren Auftreten plötzlich zu einer unerwarteten Leistungssteigerung, verbunden mit einer aktiveren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Alles schien ihr auf einmal locker von der Hand zu gehen, alles schien weniger Schwierigkeiten zu bereiten. Doch die Konsequenzen der Veränderung waren dramatisch, besonders nachdem sie ungeplant schwanger wurde. Die vermeintliche Freundin fungiert in dem Videoclip als Metapher für die Droge Crystal Meth, eine synthetische Subs- tanz auf Amphetaminbasis, die bei Betroffenen stimulierend wirkt. Sie entpuppte sich ganz am Schluss des Videoclips als titelgebende falsche Freundin, als Ursache für all das Leid, das die Protagonistin ertragen musste.
Das Video ist einer von zwei Clips, die Bestandteil der neuen Präventionskampagne »Mein falscher Freund« sind. Unter diesem Titel haben das bayerische Gesundheits- und Innenministerium eine gemeinsame Aktion ins Leben gerufen, um für die Gefahren der sogenannten Modedroge zu sensibilisieren. Tatsächlich kann deren Konsum, selbst wenn die Betroffenen in der Anfangszeit einen positiven Effekt erleben, langfristig dramatische Konsequenzen haben. »Crystal Meth macht schnell süchtig, schädigt Nervenzellen im Gehirn und lässt den Körper verfallen«, warnt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), die selbst approbierte Ärztin ist. »Auch wenn vieles am Anfang leichter erscheinen mag: Mit Crystal kann es im Leben nur bergab gehen.«
Allein 2016 waren in Bayern 25 Todesopfer durch die Droge zu beklagen. Insgesamt ist Crystal im Freistaat zwar nicht die am weitesten verbreitete Droge. Laut Daten der Kriminalstatistik war die Zahl der Fälle, bei denen Crystal Meth eine Rolle spielte, 2016 sogar um 14,4 Prozent von 2851 auf 2441 rückläufig. Aber bei der Verbreitung der Salze lassen sich teils erhebliche regionale Unterschiede feststellen.
Vor allem in den deutsch-tschechischen Grenzregionen gibt es offenbar einen vermehrten Konsum, was die zuständigen Behörden besorgt. Die Drogen werden vorwiegend in tschechischen Laboren produziert und über die sogenannten Asia-Märkte vertrieben, sind dort billig und ohne große Mühen für Interessenten erhältlich.
Mit der neuen Kampagne will Bayerns Staatsregierung dem Problem wirkungsvoll entgegentreten, ohne ausschließlich auf das Strafrecht zu setzen. Neben den beiden Videoclips, die in bayerischen Kinos ausgestrahlt werden, gehört zum Präventionsprojekt auch eine Internetseite. Auf der Plattform www.mein-falscher-freund.de stehen viele Informationen bereit, die sich direkt an Betroffene und deren Angehörige richten — auch Kontakte zu lokalen Hilfsangeboten.
Für bayerische Verhältnisse ist das eine bemerkenswerte Strategie. Bislang hat das Bundesland den Kampf gegen Drogen vor allem unter repressiven Aspekten betrieben, weniger unter präventiven Gesichtspunkten. Die neue Kampagne schlägt nun genau den gegenteiligen Weg ein, spricht mit ihrer modernen und realistischen Inszenierung Betroffene sowie deren Umfeld an, ohne jedoch die üblichen Klischees zu bedienen. Sie kann damit zumindest als vorsichtiger Versuch verstanden werden, helfend auf Süchtige zuzugehen. Eine Strategie, die dringend nötig ist – hat Bayern doch seit Jahren mehr Drogentote zu verzeichnen als jedes andere Bundesland.