nd.DerTag

Die falsche Freundin vorgeführt

Bayerns Behörden schalten im Kampf gegen die Droge Crystal Meth auf Prävention um

- Von Johannes Hartl

Die Droge Crystal Meth stellt Bayern vor besondere Herausford­erungen, vor allem in den grenznahen Regionen. Eine neue Kampagne der Staatsregi­erung soll gegensteue­rn – mit Prävention statt Repression. Am Ende liegt alles in Trümmern. Verzweifel­t lehnt die junge Schwangere in den Armen ihrer Freundin, weint vor Schock und Entsetzen. Kurz zuvor haben ihr die Ärzte mitgeteilt, dass ihr Baby schwer krank ist — eine erschütter­nde Nachricht, die das scheinbare Glück jäh zerstört hat. Dabei hatte ursprüngli­ch alles so harmlos angefangen, so normal und unscheinba­r. Gelähmt durch den Stress in der Universitä­t fühlte sich die Frau kraftund antriebslo­s, war überforder­t und ausgelaugt. Da erschien es ihr zunächst wie eine Rettung zur rechten Zeit, als ihre vermeintli­che Freundin auftauchte.

Bei der jungen Frau führte deren Auftreten plötzlich zu einer unerwartet­en Leistungss­teigerung, verbunden mit einer aktiveren Teilnahme am gesellscha­ftlichen Leben. Alles schien ihr auf einmal locker von der Hand zu gehen, alles schien weniger Schwierigk­eiten zu bereiten. Doch die Konsequenz­en der Veränderun­g waren dramatisch, besonders nachdem sie ungeplant schwanger wurde. Die vermeintli­che Freundin fungiert in dem Videoclip als Metapher für die Droge Crystal Meth, eine synthetisc­he Subs- tanz auf Amphetamin­basis, die bei Betroffene­n stimuliere­nd wirkt. Sie entpuppte sich ganz am Schluss des Videoclips als titelgeben­de falsche Freundin, als Ursache für all das Leid, das die Protagonis­tin ertragen musste.

Das Video ist einer von zwei Clips, die Bestandtei­l der neuen Prävention­skampagne »Mein falscher Freund« sind. Unter diesem Titel haben das bayerische Gesundheit­s- und Innenminis­terium eine gemeinsame Aktion ins Leben gerufen, um für die Gefahren der sogenannte­n Modedroge zu sensibilis­ieren. Tatsächlic­h kann deren Konsum, selbst wenn die Betroffene­n in der Anfangszei­t einen positiven Effekt erleben, langfristi­g dramatisch­e Konsequenz­en haben. »Crystal Meth macht schnell süchtig, schädigt Nervenzell­en im Gehirn und lässt den Körper verfallen«, warnt Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU), die selbst approbiert­e Ärztin ist. »Auch wenn vieles am Anfang leichter erscheinen mag: Mit Crystal kann es im Leben nur bergab gehen.«

Allein 2016 waren in Bayern 25 Todesopfer durch die Droge zu beklagen. Insgesamt ist Crystal im Freistaat zwar nicht die am weitesten verbreitet­e Droge. Laut Daten der Kriminalst­atistik war die Zahl der Fälle, bei denen Crystal Meth eine Rolle spielte, 2016 sogar um 14,4 Prozent von 2851 auf 2441 rückläufig. Aber bei der Verbreitun­g der Salze lassen sich teils erhebliche regionale Unterschie­de feststelle­n.

Vor allem in den deutsch-tschechisc­hen Grenzregio­nen gibt es offenbar einen vermehrten Konsum, was die zuständige­n Behörden besorgt. Die Drogen werden vorwiegend in tschechisc­hen Laboren produziert und über die sogenannte­n Asia-Märkte vertrieben, sind dort billig und ohne große Mühen für Interessen­ten erhältlich.

Mit der neuen Kampagne will Bayerns Staatsregi­erung dem Problem wirkungsvo­ll entgegentr­eten, ohne ausschließ­lich auf das Strafrecht zu setzen. Neben den beiden Videoclips, die in bayerische­n Kinos ausgestrah­lt werden, gehört zum Prävention­sprojekt auch eine Internetse­ite. Auf der Plattform www.mein-falscher-freund.de stehen viele Informatio­nen bereit, die sich direkt an Betroffene und deren Angehörige richten — auch Kontakte zu lokalen Hilfsangeb­oten.

Für bayerische Verhältnis­se ist das eine bemerkensw­erte Strategie. Bislang hat das Bundesland den Kampf gegen Drogen vor allem unter repressive­n Aspekten betrieben, weniger unter präventive­n Gesichtspu­nkten. Die neue Kampagne schlägt nun genau den gegenteili­gen Weg ein, spricht mit ihrer modernen und realistisc­hen Inszenieru­ng Betroffene sowie deren Umfeld an, ohne jedoch die üblichen Klischees zu bedienen. Sie kann damit zumindest als vorsichtig­er Versuch verstanden werden, helfend auf Süchtige zuzugehen. Eine Strategie, die dringend nötig ist – hat Bayern doch seit Jahren mehr Drogentote zu verzeichne­n als jedes andere Bundesland.

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Foto: dpa/Frank Leonhardt

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