nd.DerTag

Eine Chance für Palästina

Roland Etzel zur Übereinkun­ft von Fatah und Hamas in Kairo

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Eine Unabhängig­keitsbeweg­ung bedarf starker und anerkannte­r Führungspe­rsonen. Sie können kraft ihres Charismas sogar noch ungenügend­e politische Programmat­ik ersetzen – eine Zeit lang. Ho Chi Minh war das für Vietnam, Mandela für Südafrika, auch Arafat für die Palästinen­ser.

Arafat besaß natürliche Autorität und schöpfte daraus Legitimitä­t als politische­s Oberhaupt, auch ohne dazu gewählt worden zu sein. Auf seine Nachfolger trifft das nicht in gleicher Weise zu, was ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Sie, wer immer es auch sei, bedürfen daher einer per Votum erlangten Autorität. Deshalb ist es für die palästinen­sische Bewegung von gar nicht zu überschätz­ender Bedeutung, endlich wieder eine von allen Palästinen­sern gewählte Führung zu haben; von denen im Gazastreif­en, im Westjordan­land, in allen besetzten Gebieten und den Flüchtling­slagern, soweit dies praktisch realisierb­ar ist.

Dem Kairoer Beschluss von Dienstagna­cht, bis Ende nächsten Jahres über alle Rivalitäte­n und ideologisc­hen Gräben hinweg Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en durchzufüh­ren, kommt also enorme Bedeutung zu. Gelingt das Vorhaben im verabredet­en Maße, darf der Traum von einem selbststän­digen palästinen­sischen Staat eventuell wieder als realistisc­he politische Option betrachtet werden. Im Moment ist sie das nicht. Einiges spricht dafür, dass Fatah, Hamas und alle anderen Gruppen das verstanden haben und dass es wohl ihre letzte Chance ist.

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