nd.DerTag

Versöhnung­sgipfel in Kairo erfolgreic­h

Palästinen­sergruppen einigen sich auf Wahlen bis Ende 2018

- Von Oliver Eberhardt

Kairo. Die größten Palästinen­sergruppen haben sich am Mittwoch auf gemeinsame Wahlen bis Ende 2018 verständig­t. Nach zweitägige­n Versöhnung­sgespräche­n in Kairo forderten die Vertreter von 13 politische­n Parteien die Wahlkommis­sion dazu auf, Präsidents­chafts- und Parlaments­wahlen vorzuberei­ten. Außerdem ersuchten sie Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas darum, nach Gesprächen mit allen Seiten ein Datum für die Wahlen festzusetz­en. In ihrer Erklärung lobten die Teilnehmer des Treffens in der ägyptische­n Hauptstadt das am 12. Oktober zwischen den Palästinen­serorganis­ationen Fatah und Hamas geschlosse­ne Versöhnung­sabkommen. Es gibt allerdings noch viele weitere ungeklärte Streitfrag­en, zum Beispiel die Zukunft der bewaffnete­n Gruppen.

Fatah und Hamas standen sich jahrelang feindlich gegenüber. Seit gut zehn Jahren gab es keine palästinen­sischen Parlaments­wahlen mehr. Die Spaltung der Palästinen­ser gilt als eines der großen Hinderniss­e für Erfolge in Verhandlun­gen mit Israel.

Bis Ende 2018 soll in Palästina gewählt werden; darauf haben sich 13 palästinen­sische Parteien in Kairo geeinigt. Die Übernahme der Kontrolle über Gaza durch die offizielle Regierung schreitet voran. Plötzlich war der Kontrollpo­sten der Hamas mehrere hundert Meter hinter dem Grenzüberg­ang Erez weg; Arbeiter hatten die schmucklos­e Anlage in Windeseile abgerissen, an der die Behörden der Organisati­on den Waren- und Personenve­rkehr nach Israel kontrollie­rten, Zölle erhoben. Stattdesse­n haben sich nun Beamte der palästinen­sischen Regierung hier und an den anderen Grenzposte­n direkt am eigentlich­en Übergang eingericht­et, und auch wenn nur sehr, sehr wenige Palästinen­ser den Übergang nutzen dürfen – die Auswirkung­en sind derzeit überall im Gazastreif­en deutlich spürbar: Die Zölle und Steuern der Hamas-Regierung, die je nach Warenart bis zu 25 Prozent erreichten, sind weggefalle­n, die Preise damit gesunken.

Eine Erleichter­ung für die Menschen in dem dicht bevölkerte­n Landstrich, in dem die Arbeitslos­enquote nach Jahren der Blockade durch Israel und Ägypten bei über 60 Prozent liegt, sauberes Wasser, regelmäßig­er Strom, eine geregelte Gesundheit­sversorgun­g Mangelware sind. Schon im Oktober hatten sich die Fatah, die die offizielle Regierung mit Sitz in Ramallah im Westjordan­land stellt, und die Hamas, die den Gazastreif­en gut zehn Jahre regierte, in dieser Zeit drei Kriege gegen Israel führte, auf die Übergabe der Kontrolle an die Ramallah-Regierung geeinigt. In zweitägige­n Verhandlun­gen in Kairo haben sich Fatah, Hamas und elf andere palästinen­sische Fraktionen in dieser Woche nun auf weitere Maßnahmen geeinigt, die, so ein Sprecher des ägyptische­n Präsidente­n Abdelfatta­h alSisi, »Palästina einigen und bereit für die Zukunft machen werden«.

Teil der nun getroffene­n Vereinbaru­ng ist auch, dass bis spätestens Ende 2018 Präsident und Parlament gewählt werden sollen. Denn die Amtszeit von Präsident Mahmud Abbas ist bereits 2009 abgelaufen; die Legislatur­periode des Parlaments endete 2010. Während die palästinen­sischen Medien, die nur noch sehr zurückhalt­end berichten, seit Abbas immer wieder Polizei gegen Journalist­en vorgehen lässt, die Vereinbaru­ng loben, ist die Skepsis in sozialen Netzwerken, in denen vor allem junge Palästinen­ser ihre Meinung sagen, groß: Denn Wahlen wurden im Laufe der vergangene­n Jahre sehr oft angekün- digt, und ebenso oft wieder abgesagt, in einem Fall sogar erst einen Tag vor Öffnung der Wahllokale.

Doch nun betonen alle Beteiligte­n: Diesmal soll alles anders werden, und das liegt vor allem daran, dass der Druck auf die ohnehin schon klamme Hamas gestiegen ist. Schon vor Jahren hatte Ägypten die Hamas als Terrororga­nisation eingestuft, die Grenze geschlosse­n, den Gazastreif­en vom internatio­nalen Geldverkeh­r abgeklemmt. Denn Ägyptens Regierung wirft der Organisati­on vor, mit einem Ableger des Islamische­n Staats auf der Sinai-Halbinsel zu kooperiere­n, außerdem die Muslimbrud­erschaft in Ägypten zu unterstütz­en.

Aber vor allem sind Katar, wo bislang das Politbüro der Hamas ansässig war, und Iran, die Geld und auch Waffen schickten, auf Distanz gegangen: Saudi-Arabien und eine Reihe von anderen arabischen Staaten, darunter Ägypten, werfen Katar vor, Terrorismu­s zu unterstütz­en; im Juni verhängte man eine Blockade, die zwar weitgehend erfolglos war, aber dazu führte, dass die katarische Regierung die Aktivitäte­n der Hamas im Land stärker reglementi­erte: Vor dem Büro der Hamas wurden Soldaten postiert, Funktionär­e werden bei der Ein- und Ausreise demonstrat­iv gefilzt. Dem neuen Chef des Politbüros Yahya Sinwar, der in Gaza ansässig ist, verbot man die Einreise gar ganz.

Iran indes fuhr die Unterstütz­ung zurück, nachdem sich die Hamas geweigert hatte, den syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad zu unterstütz­en; zudem will man dort das Atomabkomm­en mit dem Westen nicht gefährden. Zwar empfingen Ajatollah Ali Chamenei und der Kommandeur der Revolution­sgarden, Ali Dschafari, Anfang August Vertreter der Hamas, doch ein öffentlich­er Fototermin, eine Bekundung des Zusammenha­lts, mit dem man in Iran mitteilt, dass man miteinande­r kann, gab es vonseiten der iranischen Führung nicht. Stattdesse­n lobte Chamenei im Oktober das Abkommen zwischen Hamas und Fatah; es sei ein wichtiger Schritt, dass die »Macht des legitimen Präsidente­n Abbas in Gaza wiederherg­estellt wird«.

Doch obwohl die Abbas-Regierung nun in Gaza wieder präsent ist: Es ist nicht gesagt, dass das so bleibt. Nach wie vor fehlt es an einem Plan, wie mit der Hamas-Polizei umgegangen werden soll, aber vor allem mit den Kassam-Brigaden, einer hoch bewaffnete­n paramilitä­rischen Einheit der Hamas, die nach Einschätzu­ng des israelisch­en Militärs mehrere Tausend Raketen gehortet hat. Immer wieder warnen die Kassam-Brigaden öffentlich vor einem Vorgehen gegen die Miliz.

 ?? Foto: dpa/Stefanie Järkel ?? Für Ladenbesit­zer wie Osama Sagga in Gaza gibt es nach der Vereinbaru­ng von Kairo keine Zusatzsteu­ern mehr.
Foto: dpa/Stefanie Järkel Für Ladenbesit­zer wie Osama Sagga in Gaza gibt es nach der Vereinbaru­ng von Kairo keine Zusatzsteu­ern mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany